Verlockende Macht
Hallo Du,
Hallo Ihr Ohnmächtigen und Mächtigen!
Wünscht sich nicht jeder mehr oder weniger,
aus der Menge hervorgehoben zu sein,
in seinem Wesen, Können und Sein
herausragend und hervorragend zu sein,
erfolgreich, einflussreich, wohlhabend und mächtig?
Wünscht sich nicht jeder Mensch,
mehr Macht über sein Schicksal,
über seine Schwächen, Begierden und Leidenschaften
mehr Einfluss für seine Fähigkeiten, Möglichkeiten,
Erkenntnisse und Überzeugungen?
Macht kann überaus positiv und segensreich
für uns selbst und für andere sein;
sie kann aber auch überaus negativ, schädigend,
willkürlich, übergehend, verletzend und entwürdigend
für uns selbst und für andere sein.
Macht kann dienen oder beherrschen.
Macht kann zusammenführen und ausgleichen,
oder trennen und Fronten aufbauen.
Machtstreben kann korrumpieren und verraten,
aber nicht wirklich eigene Mängel kompensieren.
Wie stark ist Dein Mangel, der Dich motiviert?
Wie stark ist Dein Antrieb, der Dich ruiniert?
Wie stark ist Dein Wille, der Dich verführt?
Was ist es, das Dich antreibt,
über etwas oder jemanden zu bestimmen,
die Macht über etwas haben und ausüben zu wollen?
Ist es Eitelkeit, Hochmut, Überheblichkeit oder Maßlosigkeit,
Geltungsdrang, Wollust, Ruhmsucht oder Machtgier,
Neid, Habgier, Zorn oder Trägheit und Bequemlichkeit?
Ist es die Selbstbefriedigung,
angeblich ‚zu Gunsten’, aber letztlich ‚auf Kosten’ anderer?
Ist es die ahnungslose Bewunderung
durch die schwachen und unwissenden Machtlosen?
Was fasziniert uns so an der Macht und an den Mächtigen?
Ist es
das Charisma der scheinbar Erfolgreichen,
das angestrebte Wunschziel der Erfolglosen,
die Bewunderung für den ‚gebrauchten’ Anführer,
die Dreistigkeit und Frechheit des Rücksichtslosen,
die Verachtung für die unterhaltsamen öffentlichen Clowns,
die Abneigung gegen Bevormundung und Beeinflussung,
der Traum von eigener Stärke, Fähigkeit, Wichtigkeit,
von Autorität, Wirkung, Einfluss und Sinn
und die Spiegelung unserer eigenen Hoffnungen und Wünsche?
Macht zieht Schwache und Schwäche an.
Im trügerischen Glanz der Macht
werden Nachläufer zu Nachfolgern.
Im selbstbestimmten Sendungsbewusstsein
werden Unehrlichkeit, Intrige und Verrat ehrbar.
In der verblendenden Illusion der Mächtigen
werden sie selbst allmächtig.
In der eigenen Überhöhung und Selbstverherrlichung
finden sie Anerkennung und Selbstbestätigung,
begegnet ihnen Unterwürfigkeit und Ehrfurcht.
Macht lässt Impotente potent erscheinen.
Der Anschein von Erfolg und Führungskraft,
die Präsentation von Energie, Dynamik und pausenlosem Einsatz,
das Image von kraftvollem Durchsetzungsvermögen,
von Entschlossenheit und Weitsicht,
suggerieren Sicherheit, Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit,
und machen begehrenswert, willig und willfährig.
Macht ist immer absolut und absolutistisch
und sie wirkt sich immer relativ aus,
besonders hart gegen ihre Bedroher.
Macht ist nur scheinbar ein Nebeneinander;
sie ist immer ein funktionelles Übereinander.
Schon ein bisschen Macht
kann für Einzelne so segensreich oder schädigend sein,
wie viel Macht für viele Einzelne.
Menschliche Macht scheint Egoismus und Kurzsichtigkeit,
Gefühllosigkeit und Unmenschlichkeit vorauszusetzen,
denn soziale und emotionale Intelligenz sowie gerechte Verpflichtung
machen abhängig, stellen den eigenen Erfolg in Frage
und machen das machtgruppenorientierte Arbeiten ineffektiv.
Ein Mangel an Menschenkenntnis und Menschenachtung scheint,
zumindest in der Politik, eine Führungsvoraussetzung zu sein.
Vielleicht sind deswegen
gönnerhaftes Gönnertum aus fremdem Eigentum,
verschleierte Selbstbedienung aus anvertrautem Einfluss und Vermögen
und ungerechte Fürsprache und Vorteilnahme
für persönliche oder politische Freunde so beliebt.
Macht, macht taub und blind.
Wenn Menschen ihre gottgegebenen Begabungen und Fähigkeiten
überwiegend zum eigenen Machterhalt einsetzen,
wenn persönliche Vorsicht und Erfahrung
an der Gelegenheit der Einflussnahme auf andere,
an der Maxime des Gruppen- und Parteiengeistes,
an eigenem Statusdenken und einflussreichem Überleben,
am krampfhaften Verbleiben an der Macht
und den Fleischtöpfen der Bestimmer scheitern,
wenn Ehrgeiz, Herrschsucht und verschönende Selbsttäuschung,
Vorurteile und Ängste vor Gesichtsverlust überhand nehmen,
wenn die Torheit und das Allmachtsgefühl
der Mächtigen und Regierenden ans Licht kommen,
wenn ihr absoluter Anspruch
auf die einzige, wirkliche und reine Wahrheit deutlich wird,
wenn ihre Besserwisserei und Verblendung
zu irrationalen, selbstverherrlichenden Entscheidungen führt,
wenn der Bogen der Macht überspannt wird und bricht,
dann gehen die „mächtigen“ Führer an ihrem eigenen Frevel,
an ihrer eigenen anmaßenden, selbstherrlichen Überheblichkeit zugrunde,
dann aber leiden auch die Geführten und Unterdrückten,
denn sie haben die Fehler ihrer hochmütigen
und einfältigen Vorgesetzten und Führer auszubaden.
Wer ist fähig, den Verlockungen der Macht
und der Versuchung zur Selbstherrlichkeit zu widerstehen?
Macht ist nicht grundsätzlich und zwangsläufig schlecht,
sie wird nur leider immer wieder aus menschlicher Schwäche missbraucht.
Deshalb müssen Mächtige immer wieder vor sich selbst geschützt werden,
vor ihrer wahnhaften Vorstellung: „Ich bin der oder die Größte und darf alles!“,
und vor dem ‚sich lächerlich machen’ und dem ‚öffentlich ausgelacht werden’.
Bedenke bitte, wenn Du eine Aufgabe hast oder bekommst,
verfügst Du bereits über eine Macht, die Dir Verantwortung gibt
und die auch Dich verlocken und verführen kann.
Lasse Dir das nicht zu Kopf steigen, sondern erinnere Dich immer daran,
dass auch Du nur ein Mensch bist, immer im Dienste der anderen.
Bleibe Dir und Gott treu und dabei demütig und bescheiden,
denn alles ist Dir nur auf Zeit gegeben,
ausgeliehen zur persönlichen Reifung und Bewährung.
