Stärke durch abwarten und vertrauen
Wenn ihr gelassen abwartet und mir vertraut,
dann seid ihr stark. (Jes 30, 15b)
Hallo Du, es ist immer das Gleiche:
weltlich gesinnte Menschen wollen immer etwas von dir,
deine Arbeitskraft oder dein Geld,
oder deine Aufmerksamkeit, dein Verständnis und deine Liebe.
Sie wollen es, weil sie gierig sind und mehr haben wollen,
als sie aus sich selbst heraus erreichen können
und auch, weil sie leer sind, weil sie nicht wissen, wer sie sind.
Sie glauben: ‚Ich bin, was man mir gibt‘.
Sie definieren sich über das, was sie von anderen bekommen
und wenn sie nichts bekommen, dann halten sie sich für Minderwertig,
für ungeliebt und nicht angenommen, für zu kurz gekommen.
Sie haben keine Hoffnung und keine Geduld.
Sie erkennen nicht, dass ihr Platz nicht da ist, wo sie es gerne hätten.
Um jemand zu sein -und jeder Mensch möchte jemand sein –
spielen sie sich auf und verstärken ihr Wollen.
Sie nehmen sie sich trickreich und täuschend von anderen das,
was sie haben wollen und glauben haben zu müssen, um bestätigt zu sein,
oder, wenn sie es sich leisten können, kaufen sie es sich selbst.
Doch, das Gefühl der Bestätigung verliert sich in der Selbstbefriedigung.
Was man sich nimmt oder selbst gibt, wirkt nicht dauerhaft.
Die Leere und Frustration kehrt zurück und ist schlimmer als zuvor.
Das ist verständlich, denn
im freiwilligenGeben und dankbaren Erhalten liegen
beachtet und geliebt werden, dazugehören und angenommen sein.
Es besteht eine innige Beziehung zwischen Gebendem und Nehmendem.
So zeigt sich, dass auch die Einstellung: ‚Ich bin, was ich will‘ am Nächsten seine Grenzen hat,
und dass mit Willenskraft alleine nichts zu erreichen ist.
Ganz im Gegenteil, unerfüllter Wille führt zu Enttäuschung und Selbstzweifel.
Doch der Mensch ist hartnäckig und gibt sein Wollen nicht so schnell auf.
Er glaubt: Ohne Wollen und ohne Ziel gibt es keinen Erfolg.
Und Erfolg ist, was man sich selbst darunter vorstellt, das Erreichen dessen, was man will.
Er kommt gar nicht auf die Idee, dass er dadurch für andere anstrengend ist,
und dass es besser für ihn wäre, mit dem zufrieden zu sein, was sich für ihn von alleine ergibt.
Der scheinbare Ausweg ist, sich in Träumen zu verwirklichen: ‚Ich bin, was ich mir vorstellen kann‘.
Das aber führt zur Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit.
Die eigenen Erwartungen werden im Kopf weiter geschürt, doch die Realität ist ernüchternd:
Ich bleibe, was ich war – unscheinbar.
Wie machen das die Erfolgreichen?
Ist Wissen Macht und bringt Können Anerkennung?
Stimmt es auch für mich, dass: ‚Ich bin, was ich lerne‘?
Fleiß und Tüchtigkeit sind schöne Tugenden,
doch nicht jedem oder jeder ist es gegeben, damit Großes zu erreichen.
Intelligenz ist bei jedem Menschen anders ausgeprägt
und falsche Vorbilder führen auch in Unzufriedenheit und Enttäuschung.
Dennoch, genau das ist es, was die Leistungsgesellschaft braucht:
Fügsamer Fleiß und eingepasste Tüchtigkeit, aus der die erwartete Leistung erwächst.
Die wird belohnt, aber der Wert der Leistung und die Höhe der Entlohnung
werden von denen festgelegt, die daran verdienen, die gerade das von dir haben wollen.
Immer noch auf der Suche nach der eigenen Identität erprobt der Mensch unterschiedliche Wege.
Er sucht sein erfüllendes Ich und fragt sich: ‚Wer bin ich und wer bin ich nicht?‘
Er erprobt sich in verschiedenen Rollen, Identitäten und Gruppen und entdeckt, dass er ein Gruppenwesen ist. Nicht nur jemand, der sich an den anderen orientiert, sondern auch, dass andere sich an ihm Beispiel nehmen und er auf andere wirkt.
Er lernt, dass er einer Wechselwirkung von selbst Geben und Bekommen unterliegt
und wie Gemeinschaft funktioniert.
Es entstehen Freundschaften und Interessensgemeinschaften, also Beziehungen,
in denen jeder am anderen zieht, in denen jeder sich auf den anderen bezieht und sich auf ihn verlässt, in denen man sich gegenseitig braucht und ergänzt.
Nicht mehr das eigene Wollen ist Antrieb und Ziel, sondern Geben wird zum Auslöser für Bekommen.
Wer sät, der erntet. Er erlebt sich in der Wechselseitigkeit von Geben und Nehmen. ‚Ich bin, was ich gebe‘. Geben bringt Anerkennung.
Und wenn alles gut geht, dann erlebt er sich schließlich auch noch
im reinen Geben und in dem Glück, das damit verbunden ist.
Er lernt seine Liebe und Verantwortung kennen und schätzen.
Er gibt aus Freude und ohne Erwartung. Er gibt aus Liebe.
Er gibt Freiräume und Möglichkeiten, Güte und Verständnis, Zuwendung und Anerkennung.
Er gibt, um zu fördern und zu ermöglichen.
Und so fällt ihm sein Platz im Leben zu. Er erlebt sich zuhause, angekommen und gebraucht.
Indem er gibt und ermöglicht, befreit und erschafft er. Aus ihm erwächst Neues.
In seinen Kindern sieht und erkennt er: ‚Ich bin, was ich erschaffe‘.
Und was ich erschaffe, das braucht mich und, gebraucht zu werden, das gefällt mir. Fürsorge ist ein Weg zu Geben und sich neu zu entdecken und zu definieren.
Immer noch ist die Selbstfindung nicht abgeschlossen,
denn noch immer definiert sich der Mensch überwiegend an Äußerem.
Er sieht das Beispiel anderer und orientiert sich daran.
Er sucht darin seine Anteile und will ergänzen, was ihm seiner Meinung nach noch fehlt.
Noch ist er nicht der, der er aus sich heraus ist.
Erst mit zunehmenden Alter sieht er ein,
dass er nicht mehr sein konnte, als er erreicht hat und als er ist.
Er akzeptiert seine Grenzen und was aus ihm geworden ist – und ist damit zufrieden.
Ohne weiteren Ehrgeiz kann er feststellen: ‚Ich bin, wer ich bin‘.
Er hat seinen Rahmen und seinen Platz gefunden.
Der Lebensweg hat sie ihm gezeigt.
Hätten wir diese Weisheit doch schon früher gehabt.
Gelassen abzuwarten und auf Gott zu vertrauen
hätte uns stärker und das Leben leichter und nachhaltiger gemacht.
So bauen wir darauf,
dass unser vergebliches, mühevolles Streben anderen hilft,
die Worte Gottes zu verstehen und zu beherzigen:
Wenn ihr gelassen abwartet und mir vertraut,
dann seid ihr stark. (Jes 30, 15b)
Jeder Mensch braucht seine eigene Identität
und die findet er spielerisch im ungezwungenen Leben und Erleben.
Sie ergibt sich aus dem Menschen selbst,
aus seiner Begabung und Veranlagung, aus seinem eigenen Potential.
Hoffnung, Willenskraft, Zielstrebigkeit, Tüchtigkeit, Treue, Liebe, Fürsorge und Weisheit
entwickeln sich auf dem Lebensweg durch Zuversicht, Verständnis und Vertrauen.
Und Gottvertrauen macht uns stark.
