Sich entfalten

 

Hallo Du,

betrachte doch einmal Dich selbst:

Wie bist Du?

Was kannst Du?

Wie lebst und zeigst Du es?

 

Nehme doch mal das Doppelblatt einer Zeitung in die Hand.

Darauf steht vieles gedruckt, was das Leben schreibt.

Noch viel mehr aber ist unsichtbar,

es ist zwischen den Zeilen verborgen.

Es sind die menschlichen Begabungen und Schwächen,

die solche Meldungen möglich machen;

es sind Gefühle, Eigenarten, Beziehungen, Schicksale,

gedruckt, sortiert, gebündelt, geknickt und zusammengefaltet,

aufbereitet, vorverdaut, leicht zu lesen, leicht zu vergessen.

 

Ist Dein Leben nicht wie diese Zeitung?

Als Kind bist Du wie ein leeres Blatt Papier,

Du bist das Papier, voller unsichtbarer Schätze,

voller ungeschriebener Möglichkeiten,

voller Gefühle, Veranlagungen, Begabungen und Talente,

voller Hoffnung, dass darauf geschrieben wird

wer uns was Du wirklich bist und einmal sein wirst.

Doch beschrieben wirst Du zunächst von anderen,

definiert, integriert, manipuliert, zensiert und sozialisiert,

ausgerichtet, erzogen, verbogen und eingereiht

nach fremden Vorstellungen, nach willkürlichen Regeln und Normen.

 

Du wirst durch Erziehung gefaltet und klein gemacht,

handlich, umgänglich und pflegeleicht.

Nehme Dir das Zeitungsdoppelblatt

und falte es bei jeder Einschränkung weiter:

Du darfst nicht neugierig sein,

Du darfst nicht alles anfassen,

Du darfst nichts tun, ohne vorher zu fragen,

Du darfst nicht spontan sein,

Du darfst nicht ausgelassen sein,

Du darfst nicht hartnäckig sein,

Du darfst nicht weinen,

Du musst gehorsam sein,

Du musst Dich einfügen,

Du musst ernsthaft sein,

Du musst Rücksicht nehmen

Du musst hilfsbereit sein,

 

Du sollst freundlich sein,

Du sollst geduldig sein,

Du sollst bescheiden sein,

 

Du sollst nicht eigenwillig,

   selbstständig, unabhängig sein,

 

Dir wird eingeredet:

Du kannst das nicht,

das macht man nicht,

das darfst Du nicht.

 

Nach dem siebten Falten

   ist das große Blatt bereits so klein geworden,

dass ein weiteres Falten kaum noch möglich ist,

dass das Lesen auch kleinerer Texte stark eingeschränkt ist,

dass der Sinn der Zeitung nicht mehr zu erkennen ist.

 

Wenn Du schon Dein Inneres nicht zeigen darfst und kannst,

dann nehme doch wenigstens ein schönes, buntes Band

und binde eine nette Schleife um die eingefalteten Texte,

um Deine eingewickelte und verborgene Persönlichkeit,

damit Du zumindest von außen her gut aussiehst,

damit Du durch die Äußerlichkeit ein wenig getröstet sein kannst,

damit Du wenigstens versteckt

   auf Deine inneren Schätze und Werte hinweisen kannst.

 

Jetzt bist Du gefaltet, gepackt, gebündelt und schön verschnürt.

Gefällst Du Dir so?

Was strahlt dieses Päckchen aus?

 

Und nun, öffne dieses Päckchen ganz bewusst,

entbinde Dich von der Verschnürung,

entwickle Dich,

entfalte Dich, langsam –

lege dabei symbolisch die einschränkenden Gebote und Verbote ab

und vertraue Dich ganz dem Geist und der Weisheit Gottes an.

 

Zeige Deine verborgenen Schätze,

zeige, Deine guten Seiten,

zeige was in Dir steckt

und lasse Dein Licht, Dein Wesen offen leuchten.

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