Selbst schuld
Und Jesus ging vorüber und sah einen Menschen, der blind geboren war. Und seine Jünger fragten ihn und sprachen: Meister,
wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren ist? Jesus antwortete: Es hat weder dieser gesündigt noch
seine Eltern, sondern es sollen die Werke Gottes offenbar werden an ihm. (Joh 9, 1-3)
Hallo Du,
kürzlich las ich: ‚Sie ist selbst schuld an ihrem Unglück!‘
Das ließ mich stutzen. Ist das so?
Und Jesus ging vorüber und sah einen Menschen, der blind geboren war. Und seine Jünger fragten ihn ist das nur eine einfältige Redensart?
Sind wir wirklich selbst schuld an dem, was uns widerfährt?
Der Volksmund sagt: Jeder ist seines Glückes Schmied.
Das schlägt in die gleiche Kerbe. Der Tüchtige hat Glück – der untüchtige Unglück.
Wie ist das aber, wenn jemand mehr Glück als Verstand hat?
Als Lehrer habe ich gelernt, dass jeder Mensch einen eigenen Horizont hat, hinter den er nicht mehr blicken kann. Er kann nicht alles von sich und seiner Umwelt erkennen. Dieser Horizont wird gebildet aus der Veranlagung sowie aus Lebenserfahrung, Wissen, Können und Einsicht. Die Veranlagung ist als Basis vorgegeben und nur in engen Grenzen beeinflussbar. Aus einem Ackergaul wird kein Rennpferd. Lebenserfahrung, Wissen, Könne
und sprachen: Meister, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren ist? Jesus antwortete: Es hat weder dieser gesündigt noch seine Eltern, sondern es sollen die Werke Gottes n und Einsicht entstehen in den Lebensumständen und -situationen. Wenn Umstände sich ändern, müssen sie sich mit ändern oder man geht allmählich unter.
Wie gehen wir mit Lebenserfahrung, Wissen, Können und Einsicht um? Welche Einstellungen haben wir zu Menschen, zu Situationen, zu Veränderungen, zum Leben? Sind wir selbstbewusst und mutig oder sind wir starr und uneinsichtig oder zweifelnd und unsicher?
Wie sind unsere Eltern, Verwandte und Freunde mit uns umgegangen? Haben sie uns klein gemacht oder groß, uns ängstlich zurückgehalten oder ermutigt, uns misstraut oder vertraut, uns eingeengt oder Freiräume gegeben? Haben sie ihre Regeln und Verbote nur vorgeben oder sie auch verdeutlicht und begründet? Haben sie ihre Liebe für das Kind gezeigt?
Haben wir ‚Dazulernen‘ als Gewinn gesehen oder als Strafe und Einengung? Sind wir dabei gewachsen oder wurden wir immer weiter eingeschränkt. Was haben andere uns als richtig vorgelebt? Wie sollen wir etwas Falsches in dem erkennen, was nahezu alle machen? Ist der Tüchtigste der, der die stärksten Ellenbogen hat? Ist der Fleißigste der, der die meiste Zeit hat? Ist der Erfolgreichste der, der sich auch beherrschen kann? Geht es darum, wie wir mit dem umgehen, was wir haben?
Ich behaupte, wir alle sind durch Gene und durch unsere Erfahrungen im Elternhaus und in unserem Umfeld geprägt. Diese Prägung bestimmt unsere Werte, Einstellungen und Ziele sowie unser Denken, Reden, Verhalten, Tun und unsere Gefühle. Wir sind sozialisierte, also angepasste Gruppenwesen. Wir begehren, was unsere Vorbilder begehrten und wir meiden, was sie mieden. Wir kommen so leicht nicht aus unserer Prägung und ihren Folgen heraus. Wir verhalten uns in schwierigen Situationen einfach unreflektiert so, wie unsere Eltern es taten, aber sie taten es zu einer anderen Zeit und in anderen Zusammenhängen und deshalb ist das, was wir tun oft das Falsche.
Sind dann vielleicht die Eltern an unserer Misere schuld? Nein, denn ihnen ging und geht es ja genauso.
Jesaja hat das sehr treffend formuliert: Aber nun wird über dich Unglück kommen, das du nicht wegzuzaubern weißt, und Unheil wird auf dich fallen, das du nicht durch Sühne abwenden kannst. Und es wird plötzlich ein Verderben über dich kommen, dessen du dich nicht versiehst. (Jes 47,11)
In Schwierigkeiten stellen wir fest, dass unser Leben nicht rund läuft, dass nicht gelingt, was wir wollen, dass wir immer wieder anecken. Und dann stellen wir uns vielleicht die Frage, weshalb das so ist, weshalb gerade uns das immer wieder passiert. Sind die anderen an unserem Unglück Schuld oder machen wir selbst schwere Fehler? Wie können wir das herausfinden?
Aus uns heraus gar nicht. Wir sind ein in sich abgeschlossenes Produkt von Prägung, Sozialisation und eigenem Wollen. Diese Prägung gibt uns Halt und Sicherheit. Eine Veränderung zu Besserem ist sehr schwierig.
Paulus sagt: Der menschliche Eigenwille steht dem Willen Gottes feindlich gegenüber; er unterstellt sich dem Gesetz Gottes nicht und ist dazu auch gar nicht fähig. (Röm 8,7)
Um Negatives an uns zu erkennen, brauchen wir einen Blick von außen und einen übergeordneten, anerkennbaren Maßstab, an dem wir uns messen können und der uns sagt, was richtig und falsch ist.
Dieser Maßstab kommt nicht von unseren Eltern, unseren Chefs oder den staatlichen Gesetzen, und schon gar nicht aus uns selbst, sondern er muss allgemeingültig und akzeptabel sein. Am besten kommt er von dem, der uns erschaffen und konstruiert hat, der weiß, wie wir ticken, was wir brauchen und was uns wirklich gut tut, nämlich von Gott.
Wohlgemerkt, wir brauchen einen Maßstab, der nicht nur uns selbst dient, sondern der uns allen dient. Wir sind Gruppenwesen und die Gruppe gibt uns Halt und Sicherheit. Was der Gruppe dient, dient auch uns.
Wir brauchen den Maßstab der göttlichen Gebote, an denen wir uns messen und ausrichten können. Sie geben für alle verlässliche Orientierung und Leitlinie. Sie ermöglichen Besinnung, Wende und Veränderung. Was mir bewusst wird, darauf kann ich achten – und worauf ich achte, das kann ich meiden oder verstärken. Und, wir brauchen die innere Bereitschaft, uns ändern zu wollen. Das setzt voraus, dass wir in den Geboten keinen Einschränkung oder Bevormundung sehen, sondern hilfreiche Hinweise für Wachstum und Gelingen.
Wie also kommen wir zu der Erkenntnis, dass wir blind sind und falsche Wege gehen? Uns wie kommen wir da raus? – Mit Gottes Hilfe.
Paulus schreibt dazu in Röm 7, 15 ff: Ich verstehe selbst nicht, warum ich so handle, wie ich handle. Denn ich tue nicht das, was ich tun will; im Gegenteil, ich tue das, was ich verabscheue. … Obwohl es mir nicht am Wollen fehlt, bringe ich es nicht zustande, das Richtige zu tun. … Wenn ich aber das, was ich tue, gar nicht tun will, dann handle nicht mehr ich selbst, sondern die Sünde, die in mir wohnt.
Röm 24-25 Ich unglückseliger Mensch! Mein ganzes Dasein ist dem Tod verfallen. Wird mich denn niemand aus diesem elenden Zustand befreien? Doch! Und dafür danke ich Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn. Es gilt beides: Während ich meiner innersten Überzeugung nach dem Gesetz Gottes diene, bin ich doch gleichzeitig, so wie ich von Natur aus bin, an das Gesetz der Sünde versklavt.
Diese Erkenntnis ist elementar: Der Mensch ist immer schlecht und gut zugleich. Aus sich heraus kann er gar nicht anders.
Jesus sagt in Mt 13,13-15: Sie sehen, aber sie erkennen nicht; sie hören, aber sie verstehen es nicht. Damit erfüllt sich an ihnen, was der Prophet Jesaja vorausgesagt hat: ‚Ihr werdet hören und nicht verstehen, sehen und nicht erkennen. Denn das Herz dieses Volkes ist hart und gleichgültig. Sie sind schwerhörig und verschließen die Augen. Deshalb sehen und hören sie nicht. Sie sind nicht einsichtig und wollen nicht zu mir umkehren, darum kann ich ihnen nicht helfen und sie heilen.‘
Wir sehen und hören und erkennen und verstehen nur das, was in unsere Prägung passt und was wir sehen und hören wollen. Unser Herz ist hart, weil es festhält an dem, was es kennt und gewohnt ist und es ist gleichgültig gegenüber allem, was es nicht selbst bestätigt.
Kann ein Farbiger seine Hautfarbe wechseln oder ein Leopard sein geflecktes Fell?
Genauso wenig könnt ihr auf einmal Gutes tun, nachdem ihr doch immer nur
Böses getan habt. (Jer 13,23, NL)
Könnten wir doch offener und unvoreingenommener sein und bedenken, dass unser Horizont sehr begrenzt ist. Könnten wir doch erkennen, dass Gott uns immer wieder die Augen und Ohren öffnen will für das, was man nicht sehen und hören kann, für Glaube, Hoffnung und Liebe.
Könnten wir doch glauben, dass Gott immer besser weiß, was für uns gut ist.
Mit seiner Hilfe, und die seines Heiligen Geistes, kommen wir dann auf einen neuen Weg. Wir kehren nach und nach vom alten ab und beschäftigen uns immer mehr mit den fremden und neuen Impulsen, mit Liebe und Freude, Frieden und Geduld, Freundlichkeit, Güte und Treue, Besonnenheit und Selbstbeherrschung. Wir hören und lesen davon in der Bibel und wir probieren sie aus. Wir sammeln neue Erfahrungen und erspüren, wie es uns damit ergeht. Wir trainieren uns in neuen Denk- und Verhaltensweisen und nehmen sie immer stärker an.
Und indem wir das tun, wenden wir uns immer stärker Gott zu und erkennen ihn als oberste Autorität an. Er gibt uns Kraft, Rückfälle und Hemmnisse zu überwinden und auf dem Weg der Liebe zu bleiben. Durch Glaube in seine Güte und Weisheit wächst Vertrauen, in der Hoffnung auf Besseres entscheiden wir uns, durch neue Prägung geschieht Veränderung und durch tiefe Dankbarkeit wächst die Treue und Zuversicht in ihn.
Wir sind für das Gute erschaffen und für Gemeinschaft vorgesehen. Tun wir Schlechtes und handeln wir gegen die Gemeinschaft, dann geht es uns schlecht, dann sind wir innerlich zerrissen, mit uns selbst uneins.
Jesus erkannte aber ihre Gedanken und sprach zu ihnen: Jedes Reich, das mit sich selbst uneins ist, wird verwüstet; und jede Stadt oder jedes Haus, das mit sich selbst uneins ist, kann nicht bestehen. (Mt 12,25)
Mit uns eins werden wir, wenn wir mit Gott eins werden. Aus ihm kommt unsere Bestimmung.
Er zeigt uns, wer wir sind. Meiden wir die Beziehung mit ihm, dann haben wir keine Basis, dann sind wir orientierungslos. Es kommt nicht so sehr darauf an, was wir tun oder unterlassen, sondern er kommt darauf an, wie wir zu Gott stehen. Lassen wir ihn unser Leben mitgestalten oder gehen wir lieber stolz und unabhängig eigene Wege. Öffnen wir ihm und seinem Wort unsere Seelentür, damit er uns in seinem Geist verändern kann oder möchten wir die Kontrolle über uns selbst behalten?
Sei mir gnädig, Gott, sei mir gnädig! Denn auf dich traut meine Seele, und unter dem Schatten deiner Flügel habe ich Zuflucht, bis das Unglück vorübergehe. (Ps 57,2)
Niemand ist an seinen Unglück selbst schuld. Wir tun, was wir aus unserer Prägung und Erfahrung heraus für richtig halten. Wir können gar nicht anders. Auch deswegen sagte Jesus am Kreuz: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun. (Lk 23,34)
Und er fordert uns nicht auf: ‚Du musst dich ändern!‘, sondern er sagt: ‚Siehe, ich mache alles neu!‘ (Offb 21,5) – Und Paulus schreibt: ‚Darum: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.‘ (2.Kor 5,17)
Um aus der Prägung heraus zu kommen, brauchen wir ein liebevolles Eingreifen von außen und hilfreiche Unterstützung auf dem Weg der Änderung. Was wir selbst dazu beitragen können ist nicht viel, doch das Wenige ist entscheidend: Gott um Änderung zu bitten, ihn durch Jesus kennen zu lernen und ihm absolut zu vertrauen.
Was Gott zu tun vermag erleben wir, wenn wir ihn in unserem Leben zulassen. Wir werden nach und nach verwandelt. Immer häufiger erkennen und verstehen wir. Immer häufiger tun wir ganz selbstverständlich das Gute, das wir eigentlich immer schon tun wollten.
Unser Herr, Jesus, stellt das in Joh 9, 1-3 klar:
Unterwegs sah Jesus einen Mann, der von Geburt an blind war. »Rabbi«, fragten die Jünger, »wie kommt es, dass dieser Mann blind geboren wurde? Wer hat gesündigt – er selbst oder seine Eltern?« – »Es ist weder seine Schuld noch die seiner Eltern«, erwiderte Jesus. »An ihm soll sichtbar werden, was Gott zu tun vermag.
Das möge auch an uns immer wieder sichtbar werden.
Das bitten wir im Namen Jesu Christi. Amen.
