Missverständnisse

 

Hallo Du,

manchmal kommt es vor, dass wir andere missverstehen,

   also falsch verstehen und daraus für uns die falschen Schlüsse ziehen.

Irgendetwas steht dabei unserem Verständnis, unserem Verstand im Weg.

Wir machen uns dann schnell ein falsches Bild von jemandem,

   von dem, was ein anderer empfindet, fühlt, denkt, sagt, tut oder will.

Wir kreieren in uns fehlerhafte Vorstellungen, die mit der Realität nicht übereinstimmen.

Aus diesen Vorstellungen leiten wir dann eigene Haltungen, Ansichten und Erwartungen ab,

   die völlig danebenliegen und den anderen konfrontieren..

Der wehrt sich dagegen. Er erkennt das darin enthaltene Unrecht.

Er wurde in seinem Selbst nicht erkannt;

   ja mehr sogar, er wurde beurteilt, klassifiziert und etikettiert

   und das auch noch falsch.

 

Vielleicht hat der andere sich nicht klar ausgedrückt

   oder sich zu kurz oder unvollständig verständlich gemacht,

   aber das eigentliche Problem liegt woanders.

Verstehen kann ich nur, was in mein eigenes Gedankengebäude passt,

   in meine Denklogik, in mein Gefühlsschema, in meine Vorstellungen und Ansichten.

Die eigenen Gedanken verstellen mir die objektive Sicht,

   und damit das tatsächliche Verständnis für andere,

   für deren Sicht- und Empfindungsweise.

 

Weil wir alle sehr verschieden sind

   und weil wir uns nicht bzw. nicht besonders gut kennen können,

   ist es normal, dass wir den anderen nicht, kaum oder missverstehen.

Wir können es nicht und wir sollten auch nicht glauben, es zu können.

 

Verständnis wächst und Wachstum braucht Zeit.

Es wächst mit zunehmender Vertrautheit

   und Vertrautheit entwickelt sich nur bei gegenseitigem Vertrauen,

   durch uneingeschränktes ‚sich öffnen’ und ‚sich dem anderen mitteilen’,

   ‚ihn erkennen und Einblick nehmen lassen’.

Dennoch, nur der Grad des Verständnisses wächst im Laufe der Zeit.

Wir sind keine starren Maschinen, sondern wir verändern uns ständig

   und entgleiten dem, der uns verstehen möchte, immer wieder.

 

Warum aber wollen wir den anderen verstehen?

Reicht es nicht, ihn in seiner jeweiligen Verfassung uneingeschränkt anzunehmen,

   ihn zu beachten und zu achten, auf ihn einzugehen

   und sich mit ihm jedes Mal neu aufmerksam auseinanderzusetzen?

Ist es die eigene Unsicherheit oder die eigene Unflexibilität,

   die mich antreiben, jemanden ‚kennen’ zu wollen?

Ist es vielleicht die Absicht, den anderen nicht zu verletzen,

   ihm etwas recht machen zu wollen oder ihn sanft zu lenken?

Ist es vielleicht eine eigene Angst, Zusammenhänge nicht zu verstehen

   und dadurch auf Eventualitäten vorbereitet zu sein,

   also die Hoffnung, dann etwas im Griff zu haben oder zu bekommen?

Es gibt hier viele Möglichkeiten und es lohnt sich,

   da mal genauer bei sich selbst nachzusehen.

 

Wir alle sehnen uns nach einem Zustand von Harmonie,

   von Gleichklang, Einvernehmen und Frieden mit uns selbst und anderen.

Wahrscheinlich deswegen, weil wir ihn zwangsläufig im Leben nicht haben

   und weil wir glauben, er könnte uns das Leben erleichtern.

Gleichzeitig sollten wir aber froh und glücklich sein,

   dass wir nicht fixiert und konserviert sind,

   dass wir ‚leben’ und ‚leben’ bedeutet eben, sich verändern, wachsen, reifen.

Wir brauchen immer wieder Impulse,

   um uns in verändernden Gegebenheiten und Situationen zurechtzufinden,

   sie zu meistern und so für die Zukunft flexibel zu bleiben.

Wer rastet, der rostet. Er wird starr, stur und unbeweglich.

 

Der Reiz des Lebens ist doch gerade die Be-Ziehung,

   alte Einstellungen zu betrachten und evtl. in Frage zu stellen,

   neue Positionen und Sichtweisen einzunehmen und auszuprobieren,

Unbekanntes zu entdecken und den eigenen Horizont zu erweitern,

   mich im Hin- und Hergezogenwerden zu bewegen und zu bewähren,

   mich auf etwas oder jemanden zu beziehen und davon beeinflussen zu lassen

   und das Gleiche jedem anderen zuzugestehen.

 

Missverständnisse sind unschön und verstören.

Besser ist es nachzufragen und sich zu versichern.

Noch besser ist es, anderen vertrauensvoll und offen zu begegnen

   und nicht den Kopf, den Verstand, dabei einzusetzen,

   sondern das Herz, Wohlwollen, Zuneigung und Herzenswärme.

 

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