Eschborn, den 12.01.2019
Mein innerer Garten (Lk 10,27)
Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft
und deinem ganzen Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst. (Lk 10,27)
Wie dich selbst?
Magst du dich? Gefällst du dir? Bist du mit dir zufrieden? Hast du Geduld mit dir?
Nimmst du Rücksicht auf dich?
Gebet
Barmherziger Herr Jesus,
auch wenn Gott den Menschen nach seinem Bilde erschuf,
und er uns für sehr gut gelungen hält,
sind wir doch nicht immer mit uns zufrieden,
denn unser Maßstab sind oft unsere Mitmenschen und ihre Meinungen.
Auch sehen wir uns kritischer als du es tust,
denn wir können das Ausmaß deiner Liebe kaum fassen
und oft genug auch den Sinn deiner Worte nicht verstehen.
Meinst du, ich soll andere genauso lieben, wie ich mich liebe?
Was ist, wenn ich mich gar nicht liebe, mich vielleicht sogar ablehne?
Was ist, wenn ich meine Nächsten verurteile, weil ich mich selbst verurteile?
Meinst du, ich soll mich mehr lieben, damit ich andere lieben kann?
Oder: Ich soll dich mehr lieben, damit ich andere lieben kann?
Meinst du etwa, ich soll nicht alle lieben, sondern nur die, die mir nahe sind?
Bei den vielen Fragen ist mir nur Eines klar:
Ich möchte auch meinem Nächsten Gutes tun, denn er ist wie ich.
Manchmal ist er stark und manchmal auch hilfsbedürftig.
Wir alle sind auf deine Liebe und Führung angewiesen.
Wir alle brauchen dich, dein Vorbild und deine Hilfe.
Jesus, du hast dich immer wieder zurückgezogen,
um stille Zeit mit Gott zu haben.
Du hast dich von den Meinungen und Absichten anderer nie beirren lassen.
Du hattest einen positiven Blick auf dich selbst.
Du hast dich selbst noch am Kreuz für deine Feinde eingesetzt.
Dein Gebet war: ‚Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun‘.
Herr, das wissen wir oft auch nicht. Deshalb bitten wir:
Verbinde uns fest mit unserem himmlischen Vater.
Lasse uns seine Gottesliebe zuteilwerden,
denn die, ermöglicht Selbstliebe,
denn die, ermöglicht Nächstenliebe und Feindesliebe!
Reinige uns von falscher Scham und Selbstkritik
und stärke in uns Selbstannahme und Selbstbehauptung.
Befreie uns vom Joch weltlicher Normen,
von eigener Überbewertung, von Hochmut, Stolz und Selbstgerechtigkeit,
und stärke in uns Nachsicht, Einsicht, Geduld und Versöhnung.
Schenke uns Einblicke in deine Sichtweise und in ein Denken.
Befähige uns zu barmherziger Liebe
und verändere uns immer weiter zum Guten,
damit wir fähig sind, unsere Nächsten zu lieben wie uns selbst.
Amen.
Ich erzähle euch einmal etwas von meinem inneren Garten.
Ich habe einen schönen, inneren Garten, in dem ich Ruhe, Geborgenheit und Erbauung finde. In dem ich mich wohlfühle
und den ich täglich mehrmals aufsuche.
Seitdem ich den gepflegt habe und ständig pflege, mag ich mich, gefalle ich mir, bin ich mit mir zufrieden,
habe ich Geduld mit mir.
Als ich jünger war, wusste ich gar nicht, dass ich, wie jede und jeder andere auch, so einen Garten habe und brauche.
Wozu auch? War doch die Erforschung der Umwelt und der Mitmenschen spannend und aufregend genug. Ich musste ja
lernen, mich darin und mit denen zurechtzufinden.
Später dann, bei längerdauernden Verletzungen oder Erkrankungen, wenn Stille um mich war, entdeckte ich ihn, doch er
war eine reine Wüstenei. Ungemütlich, ungepflegt und vernachlässigt. Die Umzäunung war morsch und von Eindringlingen
niedergetreten, die darin ungehemmt ihren Müll abluden. Das war wirklich kein Ort zum Wohlfühlen. Und zufrieden mit mir
war ich wirklich nicht.
In der Not, mit fremder Hilfe und mit großem Zeit- und Kraftaufwand von Körper, Geist und Seele gelang nach und nach das
Großreinemachen und eine Gartenneugestaltung.
Ein stabiler Zaun umgibt ihn, um unliebsame Fremde abzuhalten. Der Müll wurde entfernt und Abgestorbenes beseitigt.
Das Unkraut ausgerissen, zu hohe Büsche zurückgeschnitten und alte Gewohnheitsbäume stark gestutzt.
Nun hatte er wieder Licht und Weite. Der Nährboden des Glaubens wurde aufgelockert, biblisch gedüngt und das restliche
Ungeziefer vernichtet.
Schließlich wurden neue, zarte Seelenpflänzchen gesetzt, gegossen und gepflegt, damit sie wachsen und gedeihen können.
So ist aus alten und neuen Pflanzen etwas Anmutiges, Schönes, Einmaliges geworden:
Nämlich mein individueller, innerer Garten, in dem es grünt und blüht, in dem auch die süßen Früchte der Liebe wachsen
und reifen dürfen.
Mein Garten ist jetzt mein Wohlfühlbereich. Er ist eine Begegnungsstätte mit mir, mit Gott und mit meinen Gästen.
Er ist meine Krafttankstelle. Er ist der Bereich, in dem Jesus in mir wohnt, in dem ich ihm sehr nahe bin und in dem
ich mich oft und gerne aufhalte.
Aber, Gärtnerinnen und Gärtner wissen, dass ein Garten immer wieder gepflegt und gehegt werden muss, am besten täglich.
Wer will schon dem Jesus in uns ein undurchdringliches und wachstumshinderndes Dornengestrüpp zumuten.
Also: Ist der Zaun noch intakt? Hält er eigene Überforderung oder schädliche Fremdbestimmung ab?
Muss der Glaubensboden gegossen werden?
Was überwuchert Anderes? Welche Wollens-Pflanze nimmt anderen das Licht?
Welches Versuchungsungeziefer zu bekämpfen? Welche Früchte des Geistes sind reif und können geerntet werden?
Wen kann ich zum Erntefest einladen?
Gärtnern ist wie Kindererziehung. Im eigenen Garten zu gärtnern, ist eine Liebesangelegenheit, ein Ordnen und Bewahren,
ein Pflanzen und Behüten, ein mit den Pflanzen fühlen, an ihrer Schönheit Anteil nehmen und sich ihrer Wetterabhängigkeit
erbarmen.
Wer gärtnert, muss sich abgrenzen; muss klare Entscheidungen treffen, muss konsequent und liebevoll planen und handeln.
Wer gärtnert, trägt bewusst Verantwortung für sich und seinen Garten.
Dieses Verhalten nennt man auch Selbstbeherrschung oder auch krafterhaltende Selbstliebe. Es ist Voraussetzung dafür,
dass Nächstenliebe möglich ist.
Übrigens: Das Verb ‚lieben‘ ist universell. Es bezieht auch das ‚sich lieben‘ mit ein.
Wenn mein innerer Galten strahlend schön, wohlgeordnet und anmutig gestaltet ist, dann bin ich es auch! Dann hilft das allen!
Wenn mein innerer Garten vermüllt, verwildert und vernachlässigt ist, dann bin ich es auch. Dann bin ich ängstlich,
unausgeglichen, mürrisch, gehemmt, ungeduldig, überfordert und lieblos. Das schadet dann allen!
Diese schönen Verse aus dem hohen Loblied auf die Liebe im Korintherbrief geben mir Orientierung:
1.Kor 13, 2: Wenn ich keine Liebe habe, bin ich nichts.
1.Kor 13 4-7 Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen,
sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern,
sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit;
sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.
Es gibt noch einiges zu tun in meinem inneren Garten. Noch liebe ich mich nicht ganz so, wie Gott mich liebt.
Aber ich bin zuversichtlich: Ich tue, was ich zu tun vermag und er wird den großen Rest erledigen –
in seinem Garten, in unserem Garten, wie bisher immer, wenn wir ihn bitten.
Fürbittgebet
Vater im Himmel,
du hast uns zu deinem Bilde erschaffen.
Helfe uns, diesem Bild gerecht zu werden, dir zur Ehre.
Stärke in uns das Bewusstsein,
für dich, Licht der Welt und Salz der Erde zu sein;
für dich, das irdische Dunkel, mit deinem Licht zu erhellen;
für dich, das Fade, Träge und Herzlose, mit deiner Liebe zu würzen.
Womit?
Mit Freude über deine Zuwendung und mit Hilfe deines Heiligen Geistes.
Befähige uns, deine Liebe anzunehmen und uns selbst zu lieben,
damit wir stark genug werden, deine Liebe weiterzutragen zu denen,
die noch im Dunkel leben, die noch zu wenig Liebe haben.
Breite deine Liebe aus in alle Kontinente und Herzen,
damit überall Friede werde,
damit überall Liebe das Verhalten und Handeln der Menschen bestimme,
damit Einheit und Einigkeit uns überall miteinander verbinde.
Herr, lasse uns auch der Natur gegenüber liebevoll und respektvoll werden,
die wir in der Gier nach Wohlstand ausbeuten und verunstalten.
Sie ist nicht nur unsere Heimat, sondern auch die aller Pflanzen und Tiere.
Bremse Machtgier, Gewinnstreben und Lieblosigkeit,
und fördere Aufmerksamkeit, Mut und Verantwortungsbewusstsein
damit das gelingt.
Herr, helfe uns immer wieder auf,
aus Niedergeschlagenheit und Verzweiflung,
aus Schmerz, Trauer und Verlust,
aus Gefühlen von Angst, Verlassenheit und Ohnmacht.
Deine Liebe möge uns ermutigen und erquicken.
Deine Liebe führe uns durch schwierige Situationen.
Deine Liebe bestimme unser Denken, Reden, Verhalten und Tun.
Sei du er Obergärtner in unseren inneren Gärten!
Amen.
