In Besitz nehmen
… damit sie in Besitz nehmen, was übrig ist (Amos 9,12)
Hallo Du,
vieles haben wir im Laufe unseres Lebens in Besitz genommen,
es uns angeeignet, es uns genommen und behalten;
es angenommen, übernommen oder jemandem weggenommen.
Manches wollten wir nicht behalten.
Wir haben es wieder abgegeben, weggegeben,
losgelassen, ziehen lassen und letztlich vergessen.
Es hat nicht zu uns gepasst, wir haben nicht dazu gepasst.
Die Sammler haben die Wohnungen voller Gegenstände;
die Denker den Kopf voll von vergangenen Erinnerungen.
Beides ist überwiegend belastend, kostet Zeit und hält uns gefangen.
An Beides binden wir uns selbst.
Die meisten Dinge, die mir gefallen, gehören jemand anderem.
Um sie zu besitzen, um sie in Besitz zu nehmen,
muss ich sie mir kaufen oder mir schenken lassen.
Je höher meine Ansprüche sind,
desto teurer ist der Besitz, der mich besitzt;
der auf mir sitzt, mich besetzt hält und der mich besessen macht.
Um wie viel besser aber ist Besitz, der kostenlos ist,
der mich frei macht und mir meine Freiheit lässt?
Gibt es das überhaupt?
Oh ja, das sind die kostbaren Fähigkeiten, Eigenschaften und Werte,
die meinen Charakter und meine Persönlichkeit prägen,
die ich immer dabeihabe,
die mir Sicherheit auf dem Lebensweg geben und
die mein Lebensziel kennzeichnen.
Wenn ich mich dafür entscheide,
z.B. für das Gute, Reine und Anständige,
für Liebe und Freude, Frieden und Geduld,
für Freundlichkeit, Güte und Treue,
für Besonnenheit und Selbstbeherrschung.
für Ehrlichkeit, Dankbarkeit und Barmherzigkeit und
für Gerechtigkeit und Friedfertigkeit,
dann nehme ich mir etwas,
was niemandem gehört,
was kaum einer haben will und
was mich nicht belastet;
dann lasse ich etwas in mir zu,
was mich verändert und prägt,
was mich auszeichnet,
was mich stärkt und heilt.
Die entscheidende Frage ist:
Will ich das?
Sie scheidet mich von dem Nebulösen, Trüben und Vermischten,
von dem „Hin und Her“, von Zweifeln und Gewissensbissen
zu innerer Klarheit, Ruhe und Gelassenheit,
zu innerer Gesundheit, Ausgeglichenheit und Friedfertigkeit,
zu innerer Bestimmtheit, Aufrichtigkeit und Zielstrebigkeit.
Indem ich diese Kernfrage für mich entscheide,
indem ich einen neuen, anderen Weg gehe,
indem ich mein Herz in den Vordergrund stelle,
nehme ich das Gute in Besitz.
Es durchdringt mich und verwächst mit mir,
es bestimmt mich und trägt mich,
es gibt mir (Selbst)Vertrauen und Sicherheit,
es befreit mich dazu, Ich zu sein,
mein Wesen kennen und lieben zu lernen,
mein Wesen aufleben und leben zu lassen,
mein Wesen einzusetzen und großzügig zu geben.
Es gibt nichts Schöneres,
als mit dem Herzen zu hören und zu sehen
und aus dem Herzen heraus zu verstehen und zu lieben.
Es gibt nichts Schöneres,
als mit dem Herzen gehört und gesehen zu werden
und aus dem Herzen heraus verstanden und geliebt zu werden.
Das wünschen wir uns alle,
darauf hoffen wir ständig,
danach sehnen wir uns ein Leben lang.
Worauf warten wir?
Warum tun wir es nicht?
Wir trauen uns nicht.
Wir vertrauen uns nicht.
Wir trauen dem Guten nicht.
Wir vertrauen Gott, dem Guten, nicht.
Wir vertrauen vielmehr unseren Erlebnissen und Erfahrungen;
dem Vergangenen, dem Belastenden, dem Vergessbaren;
dem, was wir sehen, hören, riechen schmecken und anfassen können.
Wir haben verlernt das zu sehen, was noch nicht zu sehen ist;
das, was nicht ist, aber durch unser Verhalten werden wird;
das, was die unsichtbare Verbindung zwischen den Menschen ausmacht.
Aber wir könnten es sehen, es herbeisehen,
es hinein glauben und es herbeivertrauen,
es freilegen, ermutigen und verstärken.
Kannst Du Geduld essen,
kannst Du Treue trinken,
kannst Du Liebe anfassen,
kannst Du Besonnenheit oder Selbstbeherrschung riechen?
kannst Du inneren Frieden sehen oder hören?
Nein, und doch gibt es sie.
Du hast soviel davon, wie Du für dich zulässt.
Du hast soviel davon, wie Du Dich traust, Dir zu nehmen.
Du hast soviel davon, wie Du für Dich in Besitz nimmst.
Und denke auch daran,
dass Du nur das bleibend verschenken kannst,
was wirklich Dir gehört,
was tatsächlich auch in Deinem Besitz ist,
was prägend mit Dir verbunden ist und
was liebend von Deinem Herzen kommt.
