Im Überschwang     (Jak 1,13 – 14)

 

Hallo Du,

warst du schon einmal so richtig

   im Überschwang deiner Gedanken oder Gefühle?

Sicherlich ja.

Es gibt Menschen, die sind das oft.

Die hängen sich da so richtig rein. Die können und wollen das.

Die schwimmen gerne darin.

Die malen sich etwas im Kopf aus, was ihre Gefühle in Schwung bringt.

Dann fühlen sie sich beschwingt, tatendurstig und voller Elan

   und, sie sind es auch, zumindest vorübergehend.

 

Man ist vielleicht verliebt, hat eine Glückssträhne,

   führt ein tolles Gespräch, sieht einen mitreißenden Film,

   liest ein anregendes Buch, hört eine bewegende Geschichte,

   versteht einen schwierigen Zusammenhang, fühlt sich begünstigt,

   träumt und wiegt sich in Liebe, Glück und Geborgenheit usw.,

   und das wirkt zurück auf die Psyche und den gefühlten Selbstwert.

Es ist ein tolles, erhebendes Gefühl, so bewegt zu sein,

   so richtig in Schwung gekommen zu sein.

Das ist so super, dass man es möglichst immer haben möchte.

 

Wir alle können uns bewusst in ein Hochgefühl versetzen,

   wenn wir uns immer wieder einreden, dass wir etwas Besonderes sind oder,

   wenn wir Signale so deuten, dass sie immer für uns bestens sind.

Wir stimulieren uns damit selbst und sind dann gut drauf.

Wir malen uns in Gedanken immer wieder aus,

   was mit uns sein und was aus uns werden könnte.

Wir sehen unseren Erfolg voraus, sehen unsere Rolle darin

   und werden durch Hoffnung zielgerichtet aktiv.

Das ist Antizipation und Selbstmotivation,

   das macht mutig und das ist gut.

Es hilft, Anlaufschwierigkeiten und Hindernisse zu überwinden

   und ausdauernd bei einer Sache zu bleiben.

Wenn wir von etwas so richtig begeistert sind,

   dann gibt es für uns kein Halten mehr,

   dann sind wir so optimistisch, so zuversichtlich, so angetan, so mutig,

   dass wir gerne das tun, wozu es uns drängt.

 

Doch Vorsicht!

Im Überschwang kann man leicht überziehen.

Man neigt dazu, jemandem etwas überzuziehen,

   was ihm gar nicht passt und was ihm gar nicht steht.

Wenn die Motivation keine feste Basis hat,

   wenn sie nicht zum Charakter und der Persönlichkeit passt,

   sondern nur auf Wunschdenken und Traumvorstellungen beruht,

   wenn sie nur ein emotionales, selbstmanipulierendes Hochpeitschen ist,

   dann stürzt sie schnell wieder in sich zusammen,

   dann wird aus dem ‚himmelhoch jauchzend’ schnell ein ‚zu Tode betrübt’.

 

Dennoch kann es, auf sich selbst bezogen, hilfreich sein.

Wenn es ermutigt und zu Größerem anspornt, darf es sein.

Wenn du in deinem Elan und in deiner echten Freude andere mitreißen kannst,

   d.h. wenn sich andere von dir gerne mitreißen lassen, dann darf das sein.

Wenn du aber glaubst, du müsstest sie mitreißen,

   weil sie irgendwie lahm sind oder weil du sie beglücken möchtest,

   und dabei annimmst, sie müssten mitmachen,

   dann ist das Druck oder Zwang,

   dann ist das ein über – ziehen, ein zuviel,

   dann willst du andere mit deinem Wollen über den Tisch ziehen,

     irgendwohin, wohin sie zurzeit nicht gehen können oder wollen.

 

Und in jedem Druck oder Zwang liegt ein Keim von Vergewaltigung.

Das gilt sowohl für sich selbst, als auch insbesondere in Bezug auf andere.

Jedes ‚soll’ und ‚sollte’, ‚muss’ und ‚müsste’ ist zuviel.

Das Liebevolle wird zum Vorschreibenden, zum Erzwingenden.

Entweder, man tut etwas gerne und freiwillig oder,

   man lässt es besser, damit nichts Schlimmeres daraus wird.

 

Ist ein solches Handeln nicht aufgesetztes Denken und Verhalten?

Sind das nicht egoistische Gefühle?

Wo sind dabei die persönliche Reife, die innere Ausgewogenheit und die eigene Mitte?

Auf welcher Grundlage baut diese Person auf?

 

Ich höre die Frage:

Muss man den nicht auch Disziplin haben und selbstdiszipliniert sein?

Ja, natürlich schon, ohne geht es im Leben nicht,

   aber Disziplin bedeutet nicht, dass man sich Zwang antun

   oder sich zu irgendetwas zwingen sollte,

   es bedeutet lediglich im Sinne von Selbstbeherrschung,

   das nicht zu tun, was irgendjemandem schaden könnte.

 

Ja, es ist sehr schön, wenn einem etwas leicht fällt, wenn es läuft und fließt,

   wenn Musik drin ist, wenn wir dabei beschwingt und in Schwung sind.

Es ist schön, wenn wir andere mit unserer Leichtigkeit und Freude anstecken,

   doch wir müssen immer

   die Würde und das Selbstbestimmungsrecht des anderen achten,

   sei er ein Kind, ein Jugendlicher oder ein Erwachsener

   und auch darauf achten, die eigene Würde nicht zu verletzen.

 

Was auch immer wir tun,

   es muss für uns selbst und für andere stets liebevoll sein.

Wenn es das nicht ist, kann es und darf es nicht gelingen.

Der Überschwang darf sich nicht über andere schwingen,

   er darf sich nicht über andere erheben,

   ihnen Vorschriften machen oder sie unter Erwartungsdruck setzen.

Er muss seine Grenzen kennen und einhalten.

Er muss sich seiner Absichten bewusst sein.

 

Wie viele Über-Mütter und Über-Väter

   übergehen ihre Kinder, ihre Partner und sich selbst?

 

 

„Macht euch doch nichts vor!

Wenn sich jemand einbildet, in dieser Welt besonders klug und weise zu sein,

der muss den Mut aufbringen, als töricht zu gelten.

Nur dann wird er wirklich weise. (1.Kor 3,18)

 

„Niemand, der in Versuchung gerät, kann behaupten:

Diese Versuchung kommt von Gott.

Denn Gott, der für das Böse unangreifbar ist,

wird niemanden zum Bösen verführen.

Es sind vielmehr unsere eigenen begehrlichen Wünsche,

die uns immer wieder zum Bösen verlocken.“ (Jak 1,13 – 14)


 

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