Gottes liebevolle Erziehung
Das Gesetz wurde gegeben, damit alle Menschen erkennen konnten, wie sündig sie waren.
Doch als das Ausmaß der Sünde unter den Menschen immer größer wurde, ist Gottes
wunderbare Gnade noch grenzenloser geworden. … Durch sie werden wir vor Gott gerecht
gesprochen und gewinnen durch Jesus Christus, unseren Herrn, das ewige Leben.
(Röm 5,20-21; NL)
Hallo Du,
wir alle sind nicht vollkommen, viele möchten es aber dennoch gerne sein.
Es würde uns bestätigen und adeln, mit Stolz erfüllen und achtbar machen,
aufwerten, und unser Wesen unterstreichen, aber wahrscheinlich auch überheblich machen.
Und weil wir es nun einmal nicht sind, glauben wir, es zumindest
in Teilbereichen zu sein oder sein zu müssen.
Wir halten uns für intelligent, clever, anständig, ehrlich und
für mitfühlend, hilfsbereit, gutmütig oder echt oder sonst etwas,
damit wir uns gut fühlen und unser Selbstbewusstsein gestärkt wird.
Doch bei Licht betrachtet: wir sind es nicht. Wir bleiben doch unvollkommen.
Es fehlt uns etwas, um vollkommen zu werden.
Die größte Weisheit ist die Erkenntnis, dass man nicht weise ist,
dass das eigene Wissen immer begrenzt bleibt und dass das, womit wir unsere großen Lücken füllen,
aus Annahmen kommt, die auf Wünschen, Ängsten und Hoffnungen aufbauen.
Die größte Weisheit liegt alleine bei Gott, dem Allwissenden.
So viel wir auch lernen, es ist nie umfassend. Und keine Erziehung kann uns zur Weisheit erziehen, das macht das Leben und die bewirkt Gott.
Ob wir nun unsere Kinder ‚gut‘ erziehen, erzogen haben oder selbst eine ‚gute‘ Erziehung hatten,
wir sind nie am Ende des Erzogen-Werdens. Wir lernen immer wieder dazu, zeitlebens und zwangsläufig. Und wenn wir es nicht wollen, dann zwingt uns das Leben dazu, dann zwingen uns vielleicht zunehmende Schwierigkeiten dazu.
Es geht also im Leben ums Dazulernen und Wachsen, um Veränderung und Vervollkommnung,
darum, das göttliche Wesen in uns allmählich zu entwickeln und zum Vorschein kommen zu lassen.
Es geht aber auch darum, ob wir zum Lernen genötigt oder gezwungen werden
oder ob wir es selbst wollen, weil es uns erfreut und ergänzt und weitet und reifen lässt, weil es unsere Bestimmung ist.
Am leichtesten lernen wir im Spiel, wenn unsere ungelenken Lernversuche nicht auf die große Waagschale gelegt werden und keine schmerzlichen Konsequenzen haben.
Am liebsten lernen wir mit anderen zusammen und voneinander.
Und am besten lernen wir von Menschen, die wir achten und schätzen und denen wir vertrauen; von denen wir wissen, dass sie mit uns Geduld, Verständnis und Nachsicht haben, und dass sie uns mögen und sich Zeit für uns nehmen, dass sie für uns da sind, wenn wir sie brauchen.
Gar nicht gern lernen wir, wenn es von uns erwartet wird, wenn wir dazu verpflichtet werden oder wenn es uns aufgezwungen wird. Das sieht dann so aus, als würde jemand genau wissen, was richtig und falsch ist, und dass wir dessen Überlegenheit anerkennen müssen und endlich verstehen sollen, wie klein und dumm und unwissend wir doch sind. Wir lassen nicht gerne über uns bestimmen und uns entmündigen.
Ja wir haben ein Anrecht auf Anweisung, Erklärung und Begründung, damit wir unsere Sichtweise prüfen, ändern und ergänzen können, damit wir die Notwendigkeit einer Änderung selbst einsehen und Weitung wollen und zulassen. Wir wollen eingebunden und als eigenständige Individuen wahrgenommen werden. Wir wollen ein geschätzter Teil vom Ganzen sein, egal wie alt wir sind.
Und nun zum Kern einer gelingenden Erziehung: Erziehen geht nur in gegenseitigem Lernen voneinander. Auch der Lehrer oder Professor lernt von seinen Schülern, auch die Eltern von ihren Kindern, auch Gott aus unseren Fehlern. Sie lernen aus unseren Denkwegen und Denkgewohnheiten, damit sie uns zielgenauer Aufgaben geben und Lösungswege aufzeigen können.
Lehren beinhaltet Verstehen, z.B. woher Lernhemmnisse kommen.
Es weiß um die Wichtigkeit der vertrauensvollen Verbindung zwischen Lehrendem und Lernendem und es weiß um den hohen Einfluss der persönlichen Hintergründe und Prägungen.
Lehren und Lernen gelingen nur an einer langen Leine und in vertrauter und spielerisch geschützter Atmosphäre.
Eine spielerisch geschützte Atmosphäre ist ein Klima, in dem Vorschriften, Bedingungen und Bestrafungen nicht gelten, stattdessen aber Liebe und Freude, Frieden und Geduld, Freundlichkeit, Güte und Treue, Besonnenheit und Selbstbeherrschung (Gal 5,22), die die Einstellung (den Geist Gottes) wiederspiegeln. Es ist ein Als-ob-Klima, in dem Realität erprobt wird, ohne ernsthaft real zu sein. Es ist wie Schattenboxen, wie Feuerlöschen ohne Feuer.
Da wir unvollkommen sind, brauchen wir Entgegenkommen. Wir brauchen Freundlichkeit, Nachsicht und Geduld. Da unser Denken, Handeln und Verhalten fehlerhaft ist, brauchen wir Liebe, Erbarmen und Güte. Da wir auch als Erwachsene Kinder sind und bleiben sollten, brauchen souveräne Führung, brauchen wir Verständnis, Angenommen sein, Geliebt werden und Vergeben bekommen.
Da wir nicht wissen, was richtig oder falsch ist und wie sich was entwickeln wird, versuchen wir, neue Situationen nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum lösen und dabei irren wir natürlich meistens und dabei übergehen, verletzen, schädigen oder verurteilen wir. Deshalb brauchen wir Gottes Entgegenkommen.
Nicht Regeln, Vorschriften, Bedingungen, Gesetze und Strafen, also weltliche Gerechtigkeit, können uns nachhaltig verändern; sie zeigen uns nur unsere Begrenztheit, Unvollkommenheit und Hilfsbedürftigkeit. Was uns aber verändern kann, ist bewusst machende Betroffenheit, entlastender Großmut, befreiende Nachsicht, erlösende Aussicht und begründete Zuversicht.
Und genau das gibt uns Gottes liebevolle Erziehung. Das gibt uns der Gott, der uns in Jesus Christus entgegenkommt und begegnet, der unser mühevolles und bedrängtes und ohnmächtiges Menschsein versteht und uns vorab liebevoll Fehler vergibt, weil wir seine lernbedürftigen und lernwilligen Kinder sind.
Bei der Anleitung führt er uns an der langen Leine von Versuch und Irrtum, damit wir nach und nach selbst das Gute herausfinden und als neue Lösungswege speichern.
Und als vertrauenswürdiger Lehrer überträgt er mit seinem biblischen Wort seinen liebenden Geist in uns, damit wir Jesus immer ähnlicher und so vollkommener werden.
Weil Jesus gelitten hat wie wir, weiß er, was wir wirklich brauchen: einen nahbaren, erreichbaren und berührbaren Gott, mit dem wir ständig verbunden sein können.
Unser Leben und Erleben dient der Vervollkommnung.
Und da wir nach dem Bilde Gottes erschaffen sind und da Gott Liebe ist, wird seine Liebe zunehmend aus uns überfließen, um auch anderen bewusst zu machen, dass wir alle ohne seine Liebe unvollkommen sind.
