Ehrenwertes Flirten
Hallo Du,
wir flirten aus Lebensmut,
aber auch aus Übermut.
Flirten ist ein Spiel,
in dem ich einem anderen Menschen zeige, dass ich ihn sympathisch finde,
in dem ich ihm signalisiere, dass ich ihn irgendwie mag,
in dem ich ihn ermutige, sich für mich zu öffnen,
in dem ich mich interessant mache und geheimnisvoll gebe,
in dem ich ihm Hoffnung mache auf mehr von mir.
Im Flirten zeige ich dem anderen Menschen
meinen Mut, auf ihn zuzugehen,
meine Furchtlosigkeit, ihn als Fremden anzunehmen,
meine Neugier an seiner Person, seinem Leben und seinem Wesen,
meine Souveränität und Unabhängigkeit,
meine Freundlichkeit, Fröhlichkeit und Lebensfreude.
Ich zeige mich im besten Licht,
in meiner seltenen Sonntagsausgabe,
so, wie ich mich gerne sehe und gesehen werden möchte,
so, wie ich gerne sein möchte.
Im ehrlichen Flirten geht es nicht nur darum, jemanden kennen zu lernen,
oder darum, einen Partner oder eine Partnerin
für ein kurzfristiges, egoistisches Vergnügen aufzureißen,
sich selbst zu produzieren, in den Mittelpunkt zu stellen, positiv zu beleuchten,
aufzuwerten, begehrlich zu machen und begehrt zu werden,
oder gar kurz- oder auch längerfristig
Macht und Einfluss über einen anderen Menschen zu erlangen,
der nicht so unbefangen, selbstsicher, offen und flexibel sein kann,
sondern darum,
auch in der Konsequenz zu seinem kontaktsuchenden Handeln zu stehen
und sich dem anderen Menschen gegenüber verantwortlich und ehrlich zu verhalten,
sich weitergehend auch tatsächlich und vollständig auf ihn einzulassen,
ihn so anzunehmen wie er ist, ihn zu entdecken und sich entwickeln zu lassen
und ihn nicht nur zu benutzen, sondern sich mit ihm zu teilen,
ihm auch von sich zu geben, nicht nur punktuell, z.B. körperlich-sexuell oder geistig,
sondern auch in allen anderen Bereichen,
sich auch in den schwachen Bereichen zu öffnen und verletzbar zu machen,
und damit bereit zu sein, Schutz und Hilfe zuzulassen,
dazu zu lernen und neue Verhaltensweisen anzunehmen.
Flirten ist eine spezielle Form des Kennenlernens und der anfänglichen Begegnung.
Es ist reizvoll, erotisch und unterhaltsam, aber nicht besonders ehrlich.
Es ist kopfgesteuert, verspielt und mehrdeutig, und es lebt von der Phantasie.
Es ist zunächst viel versprechend, aber nichts bedeutend.
Es ist unverbindlich, in der Hoffnung auf mehr Verbindlichkeit.
Es ist ein kommunikatives Suchen nach partnerschaftlicher Kompatibilität.
Es steht, mehr oder weniger ausgeprägt, immer am Anfang einer Beziehung.
Es ist aber nur der erste Schritt, auf dem langen Weg
des gegenseitigen Kennen- und Verstehenlernens,
des gegenseitigen Vertrauens,
der gegenseitigen Achtung und Wertschätzung,
des miteinander vertraut Werdens,
des füreinander Einstehens,
des treu zueinander Stehens.
Gott erinnere uns bitte bei aller überschäumenden Lust,
bei allem erhofften und vorgedachten Spaß
und bei aller ersehnter Gemeinschaft
immer wieder an unsere Verantwortung für uns selbst
und für den uns interessierenden Mitmenschen
und lasse uns den anderen immer
als ein eigenständiges und empfindsames Wesen sehen,
das in seiner Würde gewürdigt,
aber nicht verletzt oder gedemütigt werden darf.
Gott gebe uns gelingende, erfüllende und ausgleichende Beziehungen,
damit wir unser großes Glück auch mit „noch“ Fremden teilen können.
