Die Himmel schauen
Hallo Du,
ist die Suche nach dem Glück,
vielleicht eine Suche nach Gott?
Irgendwann wurde ich wach,
machte meine Augen auf
und wunderte mich über den Reichtum,
der mich umgab:
Es war paradiesisch,
genug zu essen und zu trinken,
genug zum Spielen und zum Lachen,
Freunde über Freunde
und alle Freiheiten, die man sich vorstellen kann,
besonders die, zu tun, was man möchte.
Dort traf ich ein gütiges und weises Wesen,
dass seine Freude an dem spielerischen Treiben hatte
und ich fragte es:
“Du, wo bin ich hier, ist das das Paradies?“
Es schüttelte lächelnd den Kopf und sagte:
„Nein, dies ist der erste Himmel,
der Himmel der Möglichkeiten,
genieße ihn, solange Du kannst,
denn irgendwann wirst Du ihn verlassen.“
Und es hatte Recht.
Immer nur spielen, ausprobieren und lernen,
kreativ sein, erfinden und phantasieren,
von der Wirklichkeit träumen
und nicht ernst genommen werden,
das wird irgendwann einmal kindisch.
Und ich machte mich auf den Weg,
einen anderen Himmel zu finden,
um mehr als glücklich zu sein.
Ich musste nicht lange suchen,
denn unversehens befand ich mich mitten drin.
Im Vorübergehen rief mir eine hungernde Frau zu:
„Willkommen im Himmel des Handelns,
hier kannst Du zeigen, was Du kannst.“
Und obwohl über allem die Sonne leuchtete,
die alles als gleißendes Gold erscheinen ließ,
war mir doch kalt und ich fühlte mich alleine.
Es war ein seltsamer Himmel.
Die Orte hießen zum Beispiel:
„Ohne Fleiß kein Preis“ ,
„Jeder ist seines Glückes Schmied“,
„Wer wagt, gewinnt“,
„Dem Tüchtigen gehört die Welt“,
oder sogar
„Schaffe, schaffe, Häus’le baue“.
Dieser Himmel war voller Hektik und Unruhe,
ohne Freude und Freundlichkeit,
ohne Orientierung und Liebe,
denn jeder dachte vor allem an sich selbst.
Aber als ich die harten Regeln Wettbewerbs
und der Leistung verstanden hatte,
wurde auch ich wohlhabend.
Ich hatte schließlich eine Frau, Kinder, Geld und Gut,
Ansehen, Ehre, Einfluss und Bedeutung,
und ab und zu erwärmte mein Erfolg
sogar mein laues Herz.
Nur -, ich fühlte mich leer,
empfand mein Leben als sinnlos,
ich war abhängig und unglücklich.
In einem Traum begegnete mir wieder
das gütige und weise Wesen und ich fragte es:
“Du, wo bin ich hier, ist das das Paradies?“
Es schüttelte ernst den Kopf und sagte:
„Nein, dies ist nur der zweite Himmel auf Deinem Weg.
Hier kannst Du erfahren, was es heißt,
sich auf die eigene Stärke zu verlassen,
sich durchzusetzen, rücksichtslos zu sein,
sein eigenes Wollen über alles zu stellen
und zu tun, wonach man Lust hat.
Wenn dieser Himmel Dich irgendwann einmal
zu sehr belastet und krank macht,
wirst Du ihn gerne verlassen,
ohne Rücksicht auf Verluste.“
Und es hatte Recht.
Immer nur arbeiten, sich aufspielen,
rücksichtslos oder wichtig sein,
andere und sich selbst verletzen,
das wird irgendwann einmal lästig und belastend.
Und ich machte mich auf den Weg,
einen anderen Himmel zu finden,
um wieder glücklich zu werden.
Doch bereits am Ausgang merkte ich,
dass mein Hab und Gut,
dass, was ich aus diesem Leben mitnehmen wollte
und auf einen großen Wagen gepackt hatte,
nicht durch die Himmelspforte passte.
Schmerzlich musste ich mich überwinden,
weiteres zurückzulassen
und mich von vielem zu trennen,
was mir ans Herz gewachsen war.
Also bepackte ich mich und meinen Esel nur noch mit dem,
was ich für unentbehrlich hielt.
Der Esel trug meine schweren, wertvollen Sachen
und ich einen überschweren Rucksack
und in jeder Hand eine große Tasche.
Die Straße war schlecht
und sie wurde bald eng und steinig.
Es gab viele Abzweigungen und Kreuzungen,
aber keine Wegweiser und keine Orientierungshilfen.
Ich musste meinen Weg erraten, erspüren und erfühlen.
Nur mühsam kam ich im Irgendwo voran
und oft hatte ich das Gefühl,
im Kreis gelaufen zu sein.
Mein Kreuz schmerzte,
denn es war ein Kreuz mit den Lasten,
die mich bedrückten, erdrückten
und die mir meine Kräfte raubten.
Immer mehr musste ich
aus meinem früheren Leben zurücklassen;
leidvoll musste ich mich
von liebgewordenen Bindungen trennen.
Sogar mein Esel ist mir weggelaufen
und ich war von nun an mein eigener Esel.
Oft war ich müde, hungrig, verzweifelt
und hielt inne, um Gott um Führung zu bitten,
aber er ließ sich nicht blicken,
ich konnte ihn nicht hören und nicht sehen.
War er nicht da?
Hatte er mich verlassen?
Einmal kam mir ein gepäckloser Wanderer entgegen,
der erfahren, gütige und weise aussah
und ich fragte ihn:
“Du, wo bin ich hier,
ist das der Weg zum nächsten Himmel?“
Er schüttelte erstaunt den Kopf und sagte:
„Nein, dies ist kein Weg,
das ist der dritte Himmel,
der Himmel des Leidens,
in dem Du erfahren kannst,
wie viel Überwindung und Kraft es kostet,
Dich von alten Einstellungen und Bindungen zu lösen,
Dich von Liebgewordenem zu trennen,
loszulassen, freizugeben und frei zu werden.
Hier findest Du heraus, was wirklich wichtig ist.
Hier findest Du Dich und Deine inneren Werte.
Hier begegnest Du jederzeit Gott – in Dir,
der Dir zeigt, wie es mit Dir weitergeht.“
Und dieser gütige, geduldige und weise Wanderer
wurde mir zum Engel und öffnete mir die Augen.
Ich erkannte,
was mir wirklich wichtig war und dass ich es in mir trug.
Deshalb ließ ich meine restlichen Habseligkeiten liegen
und ging unbeschwert und mit neuer Kraft weiter.
Nun war ich beweglich genug,
auch schmale, steile Wege zu gehen,
die mir vorher zu mühsam und zu gefährlich erschienen.
Eines Tages, am Ende dieses Leidensweges,
begegnete ich einem reizenden,
wunderschönen Menschen des anderen Geschlechts.
Ich fand ihn aufregend, anziehend,
betörend, verwirrend und atemberaubend.
Er hatte eine starke Ausstrahlung
und ich wollte, nein ich musste unbedingt herausfinden,
was es war, was mich so fesselte;
warum ich so hin und weg war.
Und ich wusste sofort,
dass ich mit diesem Menschen
die Welt des Leidens verlassen
und in einen neuen Himmel eintreten konnte.
Es konnte nur der Himmel der Liebe sein,
nach dem ich mich so gesehnt
und um den ich geweint und gebetet hatte.
Und so war es:
Ich entdeckte die Liebe,
meine innere Liebe;
ich wendete mich von meinem egoistischen Selbst ab
und einem anderen Menschen liebend zu.
Ich lernte,
die vielen Facetten der Liebe in mir zu entdecken,
sie zu unterscheiden
und sie mit Feingefühl und Hingabe zu verschenken.
Ich lernte,
mich zu verschenken,
mich leidenschaftlich hinzugeben und zu vergessen,
aufzugehen in einem „Wir“.
Und ich lernte,
die bedingungslose Liebe eines anderen
zu schätzen und anzunehmen.
Hier wollte ich bleiben und wurzeln schlagen.
Hier gefiel es mir!
Doch hatte ich nicht gelernt,
dass Festhalten Schmerz erzeugt?
Wie war das noch?
Was man liebt, muss man freilassen;
kommt es zurück, dann ist es Dein;
kommt es nicht zurück, dann hat es Dir nie gehört!
War das wirklich der Himmel, den ich suchte?
War das das irdische Paradies?
Und je länger ich
in diesen lust- und liebestollen Sphären schwebte,
desto deutlicher wurde mir,
dass ich nicht mehr Ich war,
dass ich nicht mehr das lebte,
was ich bin und was in mir steckte,
sondern dass ich mich in einer verlockenden
und verwirrenden Welt aufgegeben hatte,
die viele als den siebten Himmel empfinden,
die aber doch nur der vierte Himmel war,
eine Durchgangsstation auf dem Weg zu Gott.
Und so erstickte die menschliche Liebe
zwischen
hoffen und bangen,
hingeben und annehmen
erwarten und lassen,
festhalten und verändern wollen
und ich stürze in tiefe Verwirrung.
Was ist richtig?
Was bedeutet Liebe?
Was bedeutet Glück?
Was suche ich?
Meine Fragen suchten Antworten
und dazu brauchte ich Abstand,
Stille, Ruhe, Einkehr und Besinnung.
Sie führten mich
durch eine schmale, unscheinbare Tür,
ähnlich einem Nadelöhr,
geradewegs in den fünften Himmel,
in den Himmel des inneren Friedens.
Ein Engel erschien mir und sagte:
„Fürchte Dich nicht,
hier in der Stille findest Du Heilung und Frieden.
Auch wenn Du Dich immer wieder
einsam und verlassen fühlst,
Du brauchst diese Ruhe,
um wieder zu Dir selbst zu kommen,
um Dich neu zu entdecken
und um unsere zarten Hinweise
zu erkennen und zu verstehen.
Verzweifle nicht,
sondern glaube und vertraue,
lasse Dich von uns führen,
wir sind immer da und begleiten Dich.“
Und der Engel hatte Recht.
Ich lernte die Stille schätzen
und die Einsamkeit wies mir den Weg
zum inneren Frieden,
zum „Heil sein“ und „Eins werden“.
Und im Frieden erkannt ich
den Sinn des Unfriedens,
die Absicht der Unruhe,
die Herausforderung des Wachsens
und des „über sich Hinauswachsens“.
Und das brachte mich,
dankbar und demütig,
in den sechsten Himmel des Verstehens,
in das Reich von Erkenntnis und Weisheit.
Ich lernte mit dem Herzen hören
und mit der Seele sehen.
Nun konnte ich Sinn erkennen
im Unsinn,
im Widerspruch,
im Gegensatz,
in den Um- und Irrwegen,
im Egoismus,
in der Wut, dem Zorn und dem Ärger,
in der unvollständigen Menschlichkeit
und der unbegreiflichen Göttlichkeit,
im liebevollen Verständnis,
in der warmherzigen Güte,
in der langmütigen Geduld
und im grundlegenden Glauben und Vertrauen.
Ich konnte erkennen, dass ich gerade dort,
wo ich die größten Schwierigkeiten hatte,
mit meiner vitalen, urwüchsigen Energie in Berührung kam,
die sich bis zum „Gehtnichtmehr“ aufstaute,
um endlich wieder in sinnvollen,
lebensbejahenden Bahnen fließen zu können.
Ja,
die eigenen Pole zu verbinden,
das macht uns erst frei,
anzunehmen und loszulassen,
eins zu werden und neu zu werden.
Göttliche Liebe,
die Essenz, aus der wir gemacht sind,
die uns ausfüllt
und die aus uns herausströmen möchte,
sie ist es,
die uns trägt und verbindet,
die uns Mut macht, zum freudigen, sorglosen Sein.
Und leicht und ergriffen schwebte ich,
von der Erhabenheit und Weisheit
unseres Schöpfers überwältigt und getragen,
glücklich und erfüllt,
losgelöst von eigenem Wollen,
befreit von Haben und Sein,
als Werkzeug und Baumeister
in den siebten Himmel der Freude,
in das Reich des Herrn,
in dem die Engel musizieren und singen
und die Auserwählten tanzen,
zur himmlischen Musik der Freude
und zur Ehre ihres Schöpfers,
dazu,
dass alles gut ist,
so wie es ist
und so, wie Gott es will.
