Die Bibel
Ich verstehe es nicht, aber ich habe heute eine Bibel erstanden. Nun ja, nicht wirklich erstanden, es ging eher schnell, denn wer steht heute noch für eine Bibel an. Es gab keine Warteschlange und das war anständig, denn ich hatte sowieso nicht viel Zeit.
Überhaupt, wieso eine Bibel? Ich hatte die Gedanken daran immer wieder hintangestellt, aber die Vorstellung, dass das ein wichtiges Buch für mich sein könnte, hatte meinen Verstand nicht mehr stehen lassen.
Also nun habe ich eine und weiß nicht so recht, was ich damit machen soll. Dick, schwarz, unverständlich, unübersichtlich, vielleicht sogar unbequem? Was soll ich damit? Was hat mich nur bewegt, dieses Buch, nein diese Bücher im Buch zu kaufen? Ich gestehe, ich habe sie erst einmal irgendwo hingelegt, einfach abgelegt, dann weggelegt und doch sie lag mir immer wieder im Weg. Dann habe ich sie ordentlich weggeräumt. Ich habe einen Weg gefunden, ihr in meinem Bücherregal Raum zu geben. Ganz am Rand, unten, hinten war noch Platz. Da habe ich sie hingestellt, eher abgestellt und weniger aufgestellt und sie hatte Charakter und das hat mich wieder beeindruckt; Sie stand von ganz alleine. Kein umfallen, umkippen oder wegrutschen. Sie stand einfach da, wie eine Eins. Schwarz, dick und fest, fast unverrückbar. Aber, sie stand da ganz alleine. In dieser Ecke meines gesammelten Wissens war noch überschaubar viel Platz.
Verrückt. Ich hätte sie woanders hin verrücken können, irgendwohin an eine prominentere Stelle, wo sie vielleicht besser gestanden hätte, wo sie mir vielleicht besser gestanden hätte, doch ich tat es nicht. Unverrückt musste sie stehen bleiben und warten, worauf auch immer. – Na ja, was man hat, das hat man und irgendwann kann man sie vielleicht gebrauchen und sie dann ohne weiteren Aufwand in die Hand nehmen. Vielleicht bin ich dann nicht so bequem, stelle mich aufgeschlossener dazu und nehme sogar dazu Stellung. Vielleicht …
… Gestern hat ein Arbeitskollege tatsächlich erzählt, dass er Christ ist und dass er froh ist, einer zu sein und dass er seine Erkenntnis überwiegend der Bibel zu verdanken hat, dem Buch, in dem Gott zu uns spricht und sie zu ihm gesprochen hat. „In Christus liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen“ hat er gesagt und erzählt, dass das in der Bibel, im überlieferten Wort Gottes steht.
Ich gestehe, mich erschlich Unbehagen und ich war verlegen. Verlegen, weil ich dieses Buch so achtlos und unüberlegt vor Jahren weggelegt hatte. Ich war betroffen, weil diese Erkenntnis mich an einer empfindlichen Stelle getroffen hatte, an meiner großzügigen Bequemlichkeit, an meiner gedanklichen Unbeweglichkeit, an meiner überzeugten Einstellung und meiner standhaft-verträumten Einbildung, dass vielleicht schon der Besitz einer Bibel mich zu einem guten Menschen und einem annehmbaren Christen machen würde. Wer hat, der ist.
Ups! Ertappt! Erwischt! Ausgebremst!
Der Verstand braucht Bewegung, auch wenn das gar nicht in seinem Namen enthalten ist. Oder doch? Bedeutet der Name etwa, dass der Verstand sich ver – steht, dass er sich die Beine in den Bauch steht, dass es für ihn unbequem wird, dass er unbeweglich wird, wenn er sich nicht bewegt, wenn er nicht bewegt und angeregt wird, von außen, von diesem Kollegen zum Beispiel und von innen, von dieser Bibel und dem, was in ihr in bewegenden Worten und Geschichten beschrieben ist?
Es arbeitet in mir! Mein Gewissen packt mich. Wo habe ich sie abgestellt. Ich suche und finde. Ich nehme sie in die Hand, klopfe den Staub von ihr und mir ab und schlage sie auf, irgendwo, und ich lese: „Bittet Gott, und er wird euch geben! Sucht, und ihr werdet finden! Klopft an, dann wird euch die Tür geöffnet! Denn wer bittet, der wird bekommen. Wer sucht, der findet. Und wer anklopft, dem wird geöffnet.“ (Mt 7:7-8)
Es steht einfach so da! So, als hätte es die ganze Zeit auf mich gewartet. So, als wäre es jetzt Zeit, dass ich es lese und verstehe, nicht mit dem Verstand, der versteht Gott sowieso nicht, sondern mit dem Herzen, mit dem, was mir wichtig ist und was mir etwas bedeutet; mit dem „Organ“ in mir, das pulst, schlägt, sich bewegt; das Jesus am Nächsten ist, das hofft, vertraut und sich sehnt, das für andere schlägt und sie liebt.
Juhu! Ich habe etwas Wichtigeres getan als etwas zu erstehen: Ich habe etwas begangen, ich bin einen neuen Weg gegangen und nicht weggegangen oder ausgewichen. Ich habe die Bibel nicht nur gehabt, sondern sie auch mal benutzt. Ich habe darin gelesen und ich habe eine Antwort bekommen auf eine Frage, die ich nie offen ausgesprochen hatte. Ich weiß jetzt, wie und von wem ich zuverlässig Hilfe erhalten kann. Das war doch gar nicht schlimm! Das war doch ganz einfach! Ich applaudiere innerlich und erkenne, dass ich mich bewegen kann, obwohl ich doch äußerlich stehe, sitze oder gar liege. Genial!
Und sogleich versuche ich es noch einmal! Ich setze mich und bitte, suche und klopfe an. Ich schlage auf und finde: „Glücklich sind, die erkennen, wie arm sie vor Gott sind, denn Gottes Herrschaft und Herrlichkeit gehört ihnen.“ (Mt 5:3)
Ups! Woher weiß dieses Buch von mir? Im Sitzen erfahre ich eine Wahrheit über mich. Es geht mir gut und ich erliege der Hoffnung, dass wahr sein könnte, was mir hier gesagt wird. Ja, ich habe keine Ahnung von Gott, er aber kennt mich und spricht mit mir, ja er verspricht mir sogar noch was. Er verspricht, dass gerade Leuten wie mir die Herrschaft und Herrlichkeit Gottes gehören. Ich weiß nicht, was das bedeutet, aber ich ahne, dass es wichtig ist und ich werde neugierig. Was will Gott mir geben? Heißt Herrschaft, dass Gott mich beschützen, anleiten und verändern wird und mir Freiheit, Bewegungsspielräume und Luft verschafft, damit ich mir nicht immer wieder den Kopf anstoße? Heißt Herrlichkeit, dass es mir unter dieser Führung herrlich geht, ich vielleicht selbst zu einem ordentlichen Herrn werde? Und ich schlage weiter und finde: “In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis.“ (Kol 2:3) Schon wieder so eine vielsagende Antwort, die ich nicht verstehe!!! Wie kann ich durch Jesus erkennen, was wichtig und weise ist?
Ich stelle fest, dass ich stehe und suche, weil ich zu wenig ER-kenntnisse habe, weil ich von Gott und Jesus zu wenig weiß. Ich stelle fest, dass ich mich weiterbewegen muss, um vorwärts zu kommen und um bewegt zu werden; dass ich Weisheit nicht durch lesen ersitzen kann, sondern dass ich sie praktisch tun und erproben muss. Ich erkenne, dass ich Jesus nahe kommen kann, wenn ich seine Worte und Lehren an mich heranlasse und sie bedenke und befolge. Ich erkenne, dass Jesus mir nahe sein wird, wenn seine Worte mir bekannt und bewusst sind, wenn ich sie in mir trage und wenn sie ein Teil von mir geworden sind. Und ich erkenne, warum die Bibel so dick ist. Wenn ich fest auf ihr stehe, habe ich einen besseren Überblick und wenn ich dann, in fester Gottverbundenheit und voller Vertrauen von ihr runterspringe, dass ich dann die Glaubensflügel haben werde, dass Jesus die Landung schon vorbereitet hat. Ja, ich möchte Gott erfliegen, im Gottvertrauen liegen und mich von ihm tragen lassen; tun was ich tun kann und ihm den ganzen Rest überlassen; von ihm beflügelt und begeistert werden wie dieser Kollege, der weiß, wovon er spricht und was er hat.
Er schwebt und ich bald auch, mit Gottes Hilfe.
