Das Leben ist ein Paradoxon
Hallo Du,
Widersprüche bestimmen das Leben.
Nein, das ganze Leben ist ein Widerspruch.
Nichts ist absolut und alles ist relativ.
Alles wiederholt sich und doch ist nichts wiederbringlich.
Jesus beginnt seine Bergpredigt in Mt 5,3 – 5 mit rätselhaften Widersprüchen:
„Glücklich sind, die erkennen, wie arm sie vor Gott sind,
denn Gottes Herrschaft und Herrlichkeit gehört ihnen.
Glücklich sind die Traurigen, denn Gott wird sie trösten.
Glücklich sind, die auf Gewalt verzichten,
denn sie werden die ganze Erde besitzen.“
Der Verstand versucht über die Logik Zusammenhänge zu erkennen
und im Zeitablauf vorauszuschauen, aber das Leben ist nicht logisch.
Es ist keine Abfolge von Gesetzmäßigkeiten,
auch wenn es manchmal so erscheint.
„Zufälligkeit“, eine höhere Regie, regiert
und widerspricht dem Gesetz von Ursache und Wirkung. Scheinbar?
Wenn viele ein Schiff zu steuern versuchen,
steuern viele in verschiedene Richtungen
und die Summe der Steuerbewegungen geht gegen Null.
Wenn jeder eine bestimmte Sache bekommen möchte,
werden nicht alle sie bekommen, weil nicht für jeden etwas da ist.
Manche werden es bekommen und sie denken, dass für jeden etwas da war;
manche werden nichts bekommen und sie denken,
dass nur sie nichts bekommen haben.
Wenn aber jeder das bekommen möchte, was für ihn da ist,
wird jeder das Seinige bekommen.
Im „Wollen“ liegt das „Nicht bekommen“ und im „Sich versagen“ das Bekommen.
Wer sein Leben gewinnen will, wird es verlieren.
Wer aber sein Leben hingibt, wird ein neues Leben erhalten.
Das Leben ist der Tod, und der Tod das Leben.
Je stärker ich an etwas festhalte, desto sicherer entgleitet es mir.
Was ich aber gerne vergebe, wird höchstwahrscheinlich zu mir zurückkehren.
Wer nichts hat, dem wird gegeben;
wer viel hat, kann es weiter vermehren oder verlieren.
Ein Reicher, der seine Zufriedenheit an irdischen Gütern festmacht,
kann leichter seelisch und gefühlsmäßig arm sein als ein Armer,
der diese Bindungen nicht kennt.
Wenn ein Armer hinter dem weltlichen Reichtum herjagt,
kann er ihn finden und dennoch arm bleiben.
Wenn ein Reicher arm werden will, um reich zu sein,
muss er alles aufgeben, auch seine Erwartungen und Ansprüche im Kopf,
sogar sich selbst, sonst steht er sich selbst im Weg.
Vertrauen wird (meistens) mit Vertrauen belohnt.
Liebe und Sanftmut sind stärker, als je Form der Gewalt.
Das Weiche, das Zarte setzt sich durch.
Es ist andauernd und wird freiwillig angenommen.
Druck, Zug, Gedrängt- und Gezwungenwerden sind Gewaltformen,
die jeder im Grunde ablehnt.
Deshalb können sie dauerhaft keinen Erfolg haben.
Niemand hat das Recht, irgendjemandem zu sagen,
was er zu tun oder zu lassen hat. Selbst Gott tut das nicht.
Er hat den Menschen einen eigenen Willen gegeben,
damit sie für sich selbst entscheiden können und sollen, freiwillig!.
Nur wenn jemand freiwillig um Hilfe, Rat oder Beistand bittet,
darf er unterstützt oder ihm geholfen werden.
Nur wenn die Tür ins Seelenhaus freiwillig geöffnet wird,
darf man in die Verantwortlichkeit des anderen eintreten,
denn nur dann ist der bereit, Ermutigung, Rat und Unterstützung anzunehmen.
Dennoch aber bleibt die Verantwortung ganz bei ihm.
Das erfordert die Achtung vor seiner Person und Würde;
das erfordert die Nichteinmischung in seine Verantwortung gegenüber Gott.
Im „Sich jemandem unterstellen“ liegt Größe,
die Größe der Anerkennung der eigenen partiellen Hilfsbedürftigkeit,
aber auch die Größe der Anerkennung anderer, die etwas besser können.
Im „Groß sein wollen“ jedoch liegen Mangel und Kleinkariertheit ebenso,
wie die Lüge des Vortäuschens falscher Tatsachen
und auch der Selbstbetrug über das eigene Können.
Wir alle haben ein Gespür für Echtheit und Ehrlichkeit.
So etwas kann nicht gut gehen.
Die Klugen bilden sich ein, (fast) alles zu wissen
und sie hören deshalb nicht richtig zu.
Deshalb erkennen sie nicht die äußeren Signale,
die ihnen zeigen könnten, wer sie in den Augen der anderen wirklich sind.
Sie fühlen sich als etwas Besseres und betrügen sich dadurch selbst.
Vor Gott sind alle Menschen gleich und wenn sie irgendwann einmal
im Tod vor der Himmelstür stehen und um Einlass bitten,
dann haben sie nichts anderes bei sich, als nur ihr nacktes Wesen.
Gott interessiert nicht, was jemand hat, kann oder geworden ist,
sondern nur, was er damit angefangen hat.
Selbst die Weisen, die ein Stückchen reifer sind als die Klugen,
werden Toren sein, wenn sie nicht erkennen und eingestehen,
dass sie in Wirklichkeit so gut wie nichts
von den großen Zusammenhängen wissen und verstanden haben.
Die Weisheit liegt im Erkennen der eigenen Unzulänglichkeit und Dummheit!
Und aus der Erkenntnis der eigenen Schwäche, trotz vorhandener Stärken,
wird der Mensch verständnisvoll und gemeinschaftsfähig.
Er erkennt seine Angewiesenheit auf Gemeinschaft und Beziehung
und schränkt seine Freiheit freiwillig ein.
Er akzeptiert die Andersartigkeit der anderen
und erkennt darin seine eigene Einmaligkeit.
Er nimmt die ihm von Gott gegebenen Gaben und Fähigkeiten an,
baut sie aus und setzt sie zum Wohle aller ein.
Er fügt sich dankbar in die Gruppe der Menschen ein
und sät, was er gerne ernten möchte.
Wohin er auch sät, seine Ernte ist gewiss, denn bereits das Säen ist die Ernte.
Er erinnert sich an die Bedeutung von Liebe und was sie in ihm bewirkt hat.
Er nimmt sie in seiner Hilflosigkeit gerne auf, füllt und stärkt sich damit
und gibt sie dann, verwandelt und veredelt, gerne weiter.
Im Geben bemerkt er, dass er mehr davon hat, als er glaubte,
und dass sie sich vermehrt, je mehr er davon weitergibt.
Eine Quelle ohne Versiegen, ein Reichtum ohne Geld oder Besitz,
ein Segen ohne Begrenzung.
Das ist unlogisch und widersinnig,
doch das ist eine höhere Weisheit, die logische Unlogik Gottes,
der verstärkt fließen lässt, was im Fluss ist
und der den beschenkt, der verschenkt.
Wer Liebe besitzen möchte, den flieht sie.
Wer Liebe verschenkt, den sucht sie.
„Wer sich an sein Leben klammert, der wird es endgültig verlieren.
Wer es aber für mich einsetzt, der wird ewig leben.“ (Mt 10:39)
Jesus sagt: „Ich bin der Weinstock, und ihr seid die Reben.
Wer bei mir bleibt, in dem bleibt mein Leben, und er wird viel Frucht tragen.
Wer sich aber von mir trennt, kann nichts ausrichten.
Wer ohne mich leben will, wird wie ein unfruchtbarer Trieb
abgeschnitten und weggeworfen. Die verdorrten Triebe werden
gesammelt, ins Feuer geworfen und verbrannt.
Wenn ihr aber fest mit mir verbunden bleibt
und euch nach meinem Wort richtet,
dürft ihr von Gott erbitten, was ihr wollt; ihr werdet es erhalten. (Joh 15,5 – 7)
