Beherrschende Eltern (4.Mose 14,18)
Ich bin der Herr, ich habe Geduld, meine Güte ist grenzenlos.
Ich vergebe Schuld und Auflehnung; aber ich lasse nicht alles
ungestraft hingehen. Wenn sich jemand gegen mich wendet,
dann bestrafe ich dafür noch seine Kinder und Enkel bis in die
dritte und vierte Generation. (4.Mose 14,18)
Hallo Du,
der Geist Gottes und die eigene Erfahrung drängen mich,
diesen Text zum Wohl der Kinder zu schreiben, die beherrschende
Väter oder Mütter hatten, haben oder haben werden;
der Kinder, die schon erwachsen geworden sind,
der Kinder, die noch Kinder sind und nicht sein dürfen
und der Kinder, die noch nicht geboren wurden.
Beginnen möchte ich mit einer Parabel:
Ein junges Ehepaar beschließt, sich einen kleinen Apfelbaum anzuschaffen. Sie wälzen
Gartenkataloge und Bücher suchen und im Internethandel nach einem Objekt,
das ihrer Vorstellung entspricht. Sie wissen, was sie wollen und sie suchen so lange,
bis sie eine Beschreibung finden, die das verspricht, was sie von dem Bäumchen erwarten.
Der Preis ist akzeptabel und so ist die Bestellung ist schnell abgeschlossen. Nach neun Tagen,
an einem Dienstag; wird das Bäumchen in einem dunklen Pappkarton angeliefert.
Das ist ein schlechter Tag für das Bäumchen, denn die neuen Besitzer haben an jedem
Wochentag Diensttag und haben deswegen vor dem Wochenende keine Zeit, das Bäumchen
einzupflanzen.
Immerhin, das Bäumchen wird schon am Mittwoch ausgepackt, in einen Eimer mit Wasser
gesteckt und auf die Terrasse gestellt, wo es dann dem Wetter, Wind und der Sonne
schutzlos ausgesetzt ist.
Nachdem alle Welt vom neuen Apfelbäumchen und vom Stolz der Besitzer erfahren hat,
wird dann am Samstag das Bäumchen endlich eingepflanzt. Der vorgesehene Platz im Garten
ist zwar nicht so groß, wie er sein sollte und hat auch nicht so viel Sonneneinstrahlung,
wie erforderlich, aber das Bäumchen ist ja noch klein und braucht nicht so viel Platz und der
Standort ist auch nicht weit vom Wassersammelfass entfernt.
Und nun wird das Bäumchen an jeden Abend gegossen und jeden Monat einmal mit Chemie
gedüngt, damit es schnell wächst. Doch alles hat seine Zeit und es wächst nicht so schnell,
wie gewünscht. Die Besitzer werden deswegen langsam ungeduldig und unzufrieden.
Ihr Baum hat zu tun, was sie wollen, schließlich haben sie ihn gekauft und bezahlt und gegossen
und gedüngt. Sie haben Zeit und Kapital investiert und sie rechnen mit einer gerechten Rendite
in Form von baldigen Äpfeln.
Schließlich, im dritten Jahr, beschleunigt sich das Wachstum. Asttriebe schießen in die Länge,
Breite und Höhe. Das Bäumchen beansprucht seine Platz – ohne Rücksicht auf die umgebenden
Tulpen, Nelken, Rosen und Azaleen. Doch das geht natürlich nicht! Schnell ist die Gartenschere
zur Hand und es wird gestutzt. Ja, es soll wachsen und Frucht bringen, aber bitte so, wie die
Eigner es wollen.
Dann, im fünften Jahr, trägt das Bäumchen zaghaft erste Früchte. Sie werden bestaunt und
viel zu früh gepflückt, probiert und weggeworfen. Natürlich sind sie noch unreif und schmecken
sauer.
Und wieder sind seine Besitzer unzufrieden mit dem Bäumchen und sie bemerken gar nicht ihre
eigene Ungeduld und Ungerechtigkeit. Lieber schieben sie dem Bäumchen ihre Unzufriedenheit
in die Schuhe, als sich selbst an der Nase zu ziehen. Doch ihre Unzufriedenheit hat schlimme
Folgen: Das Bäumchen wird immer weniger gepflegt und beachtet, dafür aber immer häufiger
gestutzt und angelehnt. Es bemüht sich zwar, zu blühen und Früchte zu bringen, aber
wenn seine blühende Äste abgeschnitten werden und in die Vase kommen, die Blätter zu wenig
Licht und die Früchte zu wenig Sonne erhalten, dann können selbst bei besten Veranlagungen
die überhöhten Erwartungen der Besitzer nicht erfüllt werden.
Du Leserin und Leser hast längst erkannt, dass das Bäumchen stellvertretend für ein Kind steht
dessen Eltern das Kind als Objekt sehen und es benutzen, kontrollieren und dominieren.
Sie haben egoistische Erwartungen und stellen unangemessene Forderungen an das Kind,
oft ohne es als achtenswertes, eigenständiges Wesen zu sehen. Sie fühlen sich als Herrscher
und glauben mit ‚ihrem‘ Kind tun zu können, was sie wollen. Sie unterdrücken und manipulieren
ihr Kind, um hineinzupressen, was ihrer Meinung nach gut und richtig ist. Sie behaupten,
Weisungen, Strafen und Einschränkungen seien notwendige Erziehungsmittel zum Wohl des
Kindes, meinen aber, zum eigenen Wohl, zur Schonung der eigenen Nerven und zur Sicherung
ihrer Investitionen. Sie sehen ihr Kind als einen Gegenstand, den man schupsen, schlagen oder
quälen kann, an dem man seine Unzufriedenheit und seinen Schmerz auslassen kann, um
jemand zu sein, um Kontrolle und Macht über andere ausüben zu können. Sie schikanieren
Schwächere, um sich aufzuwerten, um zu zeigen, dass sie auch was zu sagen haben, um sich
wichtig zu fühlen. Auch im Ablehnen üben sie Macht aus.
Sie sind stolz auf ihr Kind, wenn es sich ihnen beugt und aus Angst fügt; wenn es blind gehorcht
und wie ein dressierter Affe den Schein von ‚guten Eltern‘ und einer intakten Familie wahrt.
In Wirklichkeit sind sie aber stolz auf sich selbst und ihre eigene Durchsetzungskraft.
Sie sind aber unzufrieden mit dem Kind und verärgert, wenn das Kind sich anders entwickelt,
als sie es wollen; wenn das Kind sich von ihnen zurückzieht und sich wider ihren Willen nach
den eigenen Gegebenheiten entwickelt. Ihr Stolz macht sie blind und ihre verletzte Eitelkeit
rasend.
Das ist eine völlig falsche, egoistische und lieblose Einstellung. Kinder können und sollen nicht so
sein oder werden wie ihre Eltern oder wie die es sich wünschen.
Sie sind ganz eigene Individuen und Persönlichkeiten. Sie brauchen einen behüteten Schutzraum
und dazu genügend Freiraum, um sich selbst und ihren Weg zu finden. Und sie brauchen dazu
eine liebevolle Erziehung, die sie beziehungsfähig macht und in die Familie integriert.
Sie brauchen Aufmerksamkeit, liebevolle Zuwendung, Angenommen werden und Verständnis.
Sie haben ein Anrecht auf Liebe.
Mit Sicherheit brauchen sie kein ständiges Geschimpfe, keine Prügel, Strafen und Verbote.
Ständige Forderungen und Ermahnungen verunsichern sie, schließen sie aus und erzeugen
in ihnen Widerspruch und Rebellion. Druck erzeugt Gegendruck.
Eltern die das eigene, zerbrechliche und empfindsame Wesen des Kindes nicht sehen,
würdigen und berücksichtigen, die für ihre Kinder Zeit keine haben, nicht auf sie eingehen,
ihnen beim Aufwachsen nicht mit Rat und Tat zur Verfügung stehen und ihnen
schwierige Erziehungsmaßnahmen nicht plausibel erklären, solche Eltern ernten, was sie säen.
Sie erzeugen und ernten rebellische Kinder, an denen sie keine Freude haben und die sie
dann umso mehr maßregeln. Sie sprechen dann von ’schwer erziehbar‘, hinterfragen aber nicht
ihre eigenen Methoden.
Die Kinder haben auch keine Freude an ihren Eltern und können ihnen nicht vertrauen.
Kinder, die bspw. unter ständigen ‚wenn, dann Bedingungen‘ aufgewachsen sind, die nur dann
Aufmerksamkeit und Zuwendung bekommen haben, wenn sie sich willfährig benommen haben,
neigen zu Materiellem und zu Kuhhandel. Beziehung wird für sie zum Wechselgeschäft. Sie wollen,
wie ihre Eltern, ständig gewinnen und wie sie rücksichtslos den Vorteil auf ihrer Seite haben.
Sie wachsen unter Geschäftsbedingungen auf und werden dabei hart, misstrauisch
und unnahbar.
Eltern, die eigene Maßstäbe unbarmherzig auf ihre Kinder übertragen und sie daran messen,
die durch Härte, Unnachgiebigkeit, Tadel, Hochmut und Zwang ihre Kinder vergewaltigen,
die mit ihren Kindern vielleicht das erreichen wollen, was sie selbst nicht geschafft haben,
solche Eltern töten die Beziehung zu ihren Kindern und verkrüppeln sie fürs Leben.
Die Kinder fühlen sich verloren, vergessen, ungeliebt und ausgestoßen.
Das Schlimmste, was beherrschende Eltern tun, ist nicht nur, die eigenen Kinder zu verdammen
und den Kontakt zu ihnen ganz abzubrechen, sondern sie aus Enttäuschung und Rache auch
noch zu enterben. Damit sagen sie sich endgültig und auf ewig von ihren Kindern los und
erklären sie für wertlos und minderwertig und für tot. Sie verstoßen ihr Kind und verdammen es
über ihren eigenen Tod hinaus. Das ist grausam. Ihre üble Einstellung wird offenbar:
Sie sind über Maßen egoistisch und halten allein sich für maßgeblich, für gottgleich.
Sie sind Sklaventreiber, hartherzig, erbarmungslos und rücksichtslos.
Sie sind verbittert, haben verlorene Seelen. Sie sind voller Undank und Gemeckere, was zu
Hoffnungslosigkeit führt. Sie hinterlassen einen Scherbenhaufen, den sie dann später ihren
erwachsenen Kindern in die Schuhe schieben.
Weil sie Eltern sind und einen Erfahrungsvorsprung haben, sollten sie den Teufelskreis
von Macht und erzwungenem Gehorsam durch liebevolle Rücksichtnahme und angemessene
Forderung und Förderung ersetzen können.
Gerade weil sie Eltern sind und damit Verantwortung für ihre Kinder tragen, sollte ihnen
vor allem das Wohl ihrer Kinder am Herzen liegen. Ihre Kinder lernen daraus, dass andere
für sie da sind und das werden sie dann als Erwachsene auch für ihre Kinder und ihre
alten Eltern sein.
Beherrschende Eltern, ihr tragt ja nicht einmal die Verantwortung für euch selbst.
Für euch sind immer andere schuld. Aber das stimmt nicht. Kehrt von diesem falschen
Denken um!
Erkennt eure Fehler und euer Vergehen an den eigenen Kindern. Bittet sie um Vergebung.
Es ist nie zu spät dafür.
Ihr tut eurer und den Seelen eurer Kinder damit Gutes und ermöglicht euch
und ihnen einen gemeinsamen Neubeginn.
Seid dankbar, dass ihr Kinder habt und hofft darauf und betet dafür, dass eure Kinder
euch vergeben und eure Ohnmacht und Begrenztheit erkennen und verstehen.
Beherrschte, missbrauchte und fehlgeleitete Kinder, ihr hattet und habt unter der Lieblosigkeit
eurer Eltern schwer und dauerhaft zu leiden. Ihre Einstellung hat euch fehlgeleitet und
zu Vorsicht und Rückzug geführt. Sie haben euch keine guten Voraussetzungen für ein
erfolgreiches Leben hinterlassen. Manche pendeln extrem zwischen Minderwertigkeit und
Überheblichkeit, zwischen Niedergeschlagenheit und Aufgeputscht sein. Etliche neigen zu
Depression, Aggression, Trotz, Selbstbehauptung oder Überheblichkeit und ganz viele suchen
überall und unersättlich nach Anerkennung von anderen und dem eigenen Weg. Finden könnt ihr
euch und euren Weg aber nur mit Gott.
Er liebt euch und führt euch da heraus.
Wichtig ist, euch nicht durch Abwehr weiterhin an eure Eltern zu binden und in Selbstmitleid zu
vergehen, sondern vielleicht trotz allem Verständnis für sie aufzubringen und endlich unabhängig
euren eigenen Weg zu gehen.
Betet für eure Eltern und zollt ihnen Achtung. Tragt ihnen nichts nach. Es würde euch und euer
weiteres Leben unnötig beschmutzen und belasten. Ihr wisst, was Lieblosigkeit bewirkt.
Darum sucht die Liebe und bleibt in ihr. Sie soll euch leiten.
Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen,
sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich
nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit,
sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet
alles. (1.Kor 13,4-7)
Zum Abschluss eine wahre Geschichte:
Ich hatte einmal einen Chef mit einem eisernen Willen. Der war ein harter Knochen. Beruflich
unnachgiebig und trickreich, privat nicht anders.
Er hat hohe Erwartungen an seine Kinder. Seinen beiden Söhnen hat Vorschriften gemacht,
was sie werden sollten. Und als sie das nicht werden konnten, weil sie anders waren, hat er
sie verstoßen.
Sie sind dann ausgewandert, um so weit wie möglich von ihrem Vater entfernt zu sein.
Seine Frau, ihre Mutter, selbst unterdrückt, war darüber sehr traurig.
Seine Tochter, die Jüngste, wurde verstoßen, weil sie einen Mann aus dem angrenzenden
Ausland geheiratet hat. Seinen Enkelsohn wurde als Halbblut abgelehnt. Auch darüber war die
Mutter sehr traurig.
Und damit er seine Einsamkeit und seinen Schmerz nicht bemerkt, hat er sich ins
Langlauftraining und in Marathonwettbewerbe sowie in den Beruf gestürzt und war darin sehr
hart gegen sich selbst.
Und in der Härte zu sich selbst, hat er eine schwärende Entzündung am Fuß längere Zeit
ignoriert. Sie ist immer schlimmer geworden und hat ihn schließlich doch verunsichert.
So kam er schließlich zu mir, weil ich sport- und verletzungserfahren war und zeigte mir
seine Wunde. Die war so schlimm, dass ich ihm riet, sofort ins Krankenhaus zu gehen.
Dort stellte sich dann heraus, dass es Hautkrebs im fortgeschrittenen Stadium war.
Und so begann sein Leidensweg durch die verschiedenen Behandlungen, durch Hoffnungen und
Rückschläge und letztlich, sein Kampf gegen den Tod.
Ich durfte ihn auf diesem Weg begleiten und zusehen, wie er Frieden mit sich seinen Kindern
machte. Er besuchte seine Söhne am Ende der Welt, hat sich wieder mit ihnen versöhnt und
sie in ihrer Andersartigkeit angenommen.
Mit seiner Frau besuchte er auch mehrfach seiner verstoßene Tochter im Ausland und berichtete
mir immer wieder versöhnlich und liebevoll von seinem kleinen Enkelsohn, der zweisprachlich
aufwachsen konnte und der Liebe seiner Tochter zu ihrem ausländischen Mann.
Er hat den Kampf gegen den Krebs verloren, doch den Kampf gegen sich und seinen Stolz hat
er gewonnen. Er hat seinen Hochmut, seine Überheblichkeit und Sturheit überwunden und
zur Liebe, die ihm so gefehlt hat, zurückgefunden. Die Versöhnung mit den Seinen hat ihnen
eine verbitterungsfreie Zukunft geschenkt und er konnte in Frieden sterben. Gott hab ihn selig.
