Akzeptiere das, was du nicht ändern kannst

und ändere das, was du nicht akzeptieren kannst.

 

Eschborn, den 20.08.2020

 

Akzeptiere oder Ändere!   (Lk 6,39+41-42)

 

Hallo Du,

immer wieder höre ich Aussagen wie:

„Ich ‚liebe‘ meine Frau bzw. meinen Mann, aber … das und das und das gefällt mir an

ihr/ihm nicht (mehr). Immer wieder sage ich ihr/ihm was ich nicht mag, aber es wird

immer schlimmer. Ich halte das nicht mehr aus. Ständig bete ich, dass Gott sie/ihn

verändere, aber es tut sich nichts!“

 

Hatte man sich nicht gerade für diesen Menschen einmal entschieden?

 

Wenn man erst einmal am Anderen einen scheinbaren Makel gefunden hat, der das

persönliche Empfinden stört, dann finden sich bald auch noch andere. Man sucht diese

Makel und entdeckt dabei eigene Probleme, die aber ‚natürlich durch den/die Andere

verursacht sind‘.

Was ist die Folge davon? Die bisherige ‚Liebe‘ wird vernebelt. Die eigene Unzufriedenheit

mit der/dem Anderen wächst. Aus Mücken werden Elefanten. Aus liebevollem Übersehen

und Akzeptieren, wird Gejammer, Gemecker, Vorwurf und Ablehnung. Man will die/den

Anderen ändern und hält das auch noch für berechtigt. Die/der Andere wehrt sich, erhebt

vielleicht Gegenvorwürfe. Eine Verständigung miteinander wird immer schwerer. Die

angebliche ‚Liebe‘ schwindet und verwandelt sich in Unduldsamkeit. Langsam aber sicher

geht die Beziehung in die Brüche.

 

Je mehr man gegen etwas oder jemanden ankämpft, desto größer wird der eigene Aufruhr,

der eigene Schmerz, das eigene Leiden. Das aber will man nicht wahrhaben! Man ahnt die

eigene Beteiligung und dann kommen beschönigende Sätze wie:

Aber, ich liebe sie/ihn doch!‘   ‚Aber, ich will doch nur das Beste für sie/ihn!‘  

Aber warum hört sie/er denn nicht auf mich?‘   ‚Aber, ich habe doch recht. Meine

Freundin/mein Freund sagt das ja auch!‘   ‚Andere Frauen/Männer sind doch auch nicht so?‘

 

Interessant,

–  dass Menschen ‚Schwächen‘ bei anderen viel deutlicher sehen, als bei sich selbst.

–  dass unzufriedene und meckernde Menschen sich immer im Recht fühlen?

–  dass diese Menschen alles besser wissen, ihr Wissen aber nicht auf sich anwenden.

–  dass solche Menschen gerne die Meinung anderer zur eigenen Bestätigung benutzen.

–  dass Menschen gerne in andere hineinlegen, was ihnen an sich selbst nicht gefällt.

 

In der Bibel sagt Jesus in einem Vergleich: „Kann ein Blinder einen Blinden führen?

Werden nicht beide in die Grube fallen? Wie kommt es, dass du den Splitter im Auge

deines Bruders siehst, aber den Balken in deinem eigenen Auge nicht bemerkst?

Wie kannst du zu deinem Bruder sagen: ›Bruder, halt still! Ich will den Splitter

herausziehen, der in deinem Auge sitzt‹ – und bemerkst dabei den Balken im

eigenen Auge nicht?

Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem eigenen Auge; dann wirst du klar

sehen und kannst den Splitter, der im Auge deines Bruders ist, herausziehen.‘

(Lk 6,39+41-42;NGÜ)

 

Jesus sagt hier genau das Gegenteil von dem, wie Menschen sich oft verhalten:

Zieh zuerst den Balken aus deinem eigenen Auge; dann wirst du klar sehen‘.

Wer seine Nase über etwas oder jemanden rümpft, schätzt es/ihn gering, setzt es/ihn

verächtlich herab. Er sollte sich an die eigene Nase fassen, sich also zuerst um die

eigenen Fehler und Mängel kümmern und daran arbeiten. Und wenn sie/er die

entdeckt hat, dann bemerkt sie/er die eigene Unvollkommenheit, dann relativieren

sich schnell die Fehler und Mängel der Anderen, dann erkennt sie/er vielleicht die Liebe

im Gegenüber, die die eigenen Schwächen bisher großzügig übersehen hat.

 

Aber es kann auch anders kommen. Vorwurfsvolle, schwache Menschen können richtige

Rechenkünstler sein. Bei wechselseitigen Vorwürfen rechnen sie die dabei genannten

Schwächen gegenseitig auf und finden bei der/dem Anderen immer mindestens eine mehr.

Das soll die eigene Position bestätigen und sich das Recht geben, sich weiterhin über

die/den Anderen zu erheben.

 

Ein weiteres Problem in solchen Auseinandersetzungen ist, dass Menschen an eine

unmittelbare Verbindung zwischen Ursache und Auswirkung, also zwischen den Fehlern

anderer und dem eigenen Ärger glauben. So einfach ist das aber nicht. Deutlicher gesagt:

Meist erkennen wir die wahren Ursachen nicht. Wir vermuten sie nur. Und auf den

eigenen Vermutungen aufbauend, erklären wir uns dann die Auswirkungen beim Anderen

und glauben, unsere Vermutungen würden stimmen. Meistens tun sie das aber nicht!

Das heißt: Wir unterstellen ihnen etwas und bewerten und verstehen sie falsch!

Das stört sie natürlich. Und bereits das ist ein Keil in der Beziehung, besonders, wenn eine

Seite auf ihrer sehr subjektiven Meinung beharrt.

 

Hinzu kommt noch, dass wir Aussagen von anderen oft nach der jeweilig eigenen Laune sehr

subjektiv sehen und nicht so, wie sie tatsächlich gesagt oder gemeint waren. Und oft haben

viele fremde Aussagen gar nichts mit der eigenen Person zu tun. Schlimm ist, dass man sich

dann trotzdem angegriffen fühlt, überreagiert und den Anderen gegenüber ungerecht wird,

weil im eigenen Kopf ein falsches Signal angekommen ist, das dann leider das weitere

Denken, Reden und Verhalten bestimmt.

 

Zieh zuerst den Balken aus deinem eigenen Auge; dann wirst du klar sehen und kannst

den Splitter, der im Auge deines Bruders ist, herausziehen.‘

Klar zu sehen bedeutet demnach, zuerst sich selbst und die eigenen Mängel und Schwächen

zu erkennen und abzustellen. Es bedeutet auch, realistisch zu werden, sich nicht mehr

angegriffen zu fühlen, aber auch, die eigenen Mängel nicht mehr zu leugnen, zu verstecken

oder schön zu reden. Und es bedeutet, im Inneren die wahren Ursachen ergründet und

gefunden zu haben, um andere besser zu verstehen, um gelassener und vergebungsbereit zu

werden, zu sich und zu anderen.

 

Nun komme ich zu dem Aspekt ‚Ändern‘.

Gemecker, Gejammer, wütende Vorwürfe und zornige Ablehnung bezeugen nicht Stärke,

sondern Schwäche. Sie zeigen Ohnmacht und sie verstärken und vertiefen das eigene

Leiden! Sie sind auch eine Distanzreaktion. „Ich brauche jetzt meine Ruhe! – Ich will nicht

mehr leiden! Ich ziehe mich zurück!“

Im besten Fall führen sie zu Erschrecken und zu eigener Besinnung und Änderung.

Andernfalls schwächen sie weiter. Dann sind sie nur ein wiederholtes Dampfablassen,

das Kraft raubt, das den Innendruck reduziert, das weiter im Elend verharren und

versinken lässt. Man verbleibt im dunklen Leidenstal und erreicht die ersehnten

Freudeshöhen nicht. Man bleibt im Gemecker und Gejammer, weil man sich nicht dagegen

auflehnt, weil man im Selbstmitleid versunken ist und schmollt, weil man sich im Recht sieht,

sich lieber depressiv zurückzieht und nicht bereit ist, an sich selbst zu arbeiten, sein Denken

zu ändern, mit dem Jammern aufzuhören, sich nicht mehr aufzuregen oder sich selbst mit

fremder Hilfe ändern zu lassen.

 

Wenn man eine Situation, einen Menschen oder den eigenen Schmerz nicht mehr aushält, ein

‚Akzeptieren‘ also nicht mehr möglich ist, dann muss etwas geschehen! Dann muss man

selbst aktiv werden, um wieder zu genesen und froh zu werden.

 

Was könnte das beispielsweise sein?

  1. Hilfe suchen. Fragen stellen. Rat annehmen.
  2. In ehrlichen Gesprächen Klarheit finden.
  3. Daraus Konsequenzen ziehen und das Alte hinter sich lassen.

 

Das gilt zunächst nur für die eigene Person, nur für das eigene Innenleben, nur für die

aufgewühlte Seele, nur zum Ordnen der tobenden Gedanken. Bereits diese innere Klärung

kann Probleme auflösen und Veränderung bewirken, kann neues Denken und Verhalten

erzeugen. Das ist der leichtere Weg.

 

Wenn jedoch eine friedliche Verständigung nicht mehr möglich ist, wenn durch ständige

Verletzung und Erniedrigung die gegenseitige Zuneigung und das Vertrauen geschwunden

sind, wenn die Beziehung in die Brüche gegangen zu sein scheint, wenn das Gemecker,

Gejammer nicht beendet werden kann, dann beginnt der schwerere Weg, der nur dem

gelingt, der mit sich und seinen ‚Feinden‘ wieder ins Reine kommt, der offen und

vertrauensvoll neu beginnt, der sein weiteres Leben, jetzt gereift, wieder liebevoll, duldsam

und vergebungsbereit führt. Am besten mit Gottes Hilfe und in fester Verbindung mit ihm,

denn ohne ihn bleiben wir gefährdet durch Reste noch vorhandener Ängste, Einstellungen,

Vorstellungen und Erwartungen, die nur langsam schwinden, die viel Wärme, Zuwendung

und Geborgenheit brauchen, um auszuheilen. Gott und unser Glauben geben uns Rückhalt

und Hoffnung.

Erst wenn der Balken im eigenen Auge entfernt ist, kann die Wunde heilen. Erst wenn die

Wunde verheilt ist, wird man wieder lebensmutig. Erst mit neuem Lebensmut wagt man

wieder Offenheit und Vertrauen. Erst dann kommt die Liebe Gottes in uns zurück, die

Paulus in 1.Kor 13,4-7 beschreibt.

 

Natürlich würden wir Schwierigkeiten gerne meiden, doch sie sind lebensnotwendig, sie

weisen uns auf eigene Mängel hin. Jede und Jeder hat, entsprechend seinen falschen

Einstellungen, andere Schwierigkeiten. Sie sind eine Prüfung. Man kann durch sie bitter

werden, sich von ihnen zerstören lassen oder sie mit Gottes Hilfe überwinden und

gestärkt aus ihnen hervorgehen.

Auf jeden Fall haben Schwierigkeiten vier positive Auswirkungen:

  1. Sie machen demütig. Sie erleichtern die Hinwendung zu Gott und das Beten.
  2. Sie machen eigenes Versagen deutlich und ermöglichen, es zu korrigieren.
  3. In ihnen werden Einstellungen, Glaube und Gottvertrauen geprüft.
  4. Sie ermöglichen Erfahrung, die wir an andere weitergeben können.

 

 

Liebe ist geduldig, Liebe ist freundlich. Sie kennt keinen Neid, sie spielt sich nicht auf,

sie ist nicht eingebildet. Sie verhält sich nicht taktlos, sie sucht nicht den eigenen Vorteil,

sie verliert nicht die Beherrschung, sie trägt keinem etwas nach. Sie freut sich nicht,

wenn Unrecht geschieht, aber wo die Wahrheit siegt, freut sie sich mit. Alles erträgt sie,

in jeder Lage glaubt sie, immer hofft sie, allem hält sie stand. (1.Kor 13, 4-7; NGÜ)

 

 

 

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