Dienen, was bedeutet das? (Phil 2, 1-5)
Hallo Du,
heute bearbeite ich mal wieder das schwierige Thema ‚Dienen‘ und beginne es zur Erleichterung förmlich:
Am Begriff und in der Bedeutung des Wortes ‚dienen‘ werden die Feinheiten der Sprache und des eigenen Tuns
sowie die eigenen Einstellungen dazu deutlich.
Die Wortbedeutung hat gemäß Bedeutungswörterbuch drei Varianten:
1) Für eine Institution bzw. in einem bestimmten Bereich tätig sein. Ich arbeite für den Staat, für Menschen, im
Verkauf, im Gesundheitswesen bzw. bei der Firma XY. Dort tue ich meinen Dienst.
2) Für jemanden oder etwas nützlich sein. Mein Sein, Wesen, Handeln, Verhalten, Können oder Haben, dient
jemandem oder etwas und ist nützlich dafür.
3) In bestimmter Weise verwendet werden, einen bestimmten Zweck erfüllen. Ein Objekt oder Gegenstand, z.B. ein
Topf, wird zum Kochen verwendet und erfüllt diesen Zweck.
Dienen hat also etwas mit Arbeit, Nutzen und Zweckerfüllung zu tun, aber auch mit der Einstellung dazu. Deshalb
können wir uns fragen: Dient mein Tun mir oder jemand anderem und ist es nützlich für ihn oder für mich? Ist es
erwünscht oder aufgedrängt? Hilft es weiter? Macht es abhängig? Wem dient es wirklich?
Ob es nützt und hilfreich ist, können nur die Bedienten entscheiden. Das verändert die Fragestellung: War mein Tun
für dich von Nutzen? Hat es dir geholfen? Bist du jetzt wieder in der Lage, alleine zu gehen und selbst anderen
nützlich zu sein? Wenn andere dies bejahen, dann darf der Dienende dankbar dafür sein und die Bedienten dürfen
gerne und dankbar darüber reden und den Dienenden lobend benennen.
Doch manchmal befinden die Dienenden selbst über den Nutzen ihres Tuns.
„Ich gebe dir, was du haben willst“ oder, „Ich gebe ich dir, was du brauchst“ oder „Ich weiß, was gut für dich ist“.
Das bedeutet doch im Klartext: Ich gebe dir etwas, weil es gut für mich und mein Ego ist. Ich gebe, damit ich etwas
davon habe oder dafür bekomme?
Dann werden die Bedienten zum Objekt, das den Zweck der Selbstverherrlichung erfüllt. Sie werden zur Staffage des
Selbstlobs missbraucht
Deshalb muss ‚dienen‘ ein ’selbstloses Einbringen‘ sein, ein ‚absichtsloses Schenken‘, ein ‚davon erfüllt sein‘. Der
Lohn dafür kommt vom Gegenüber und ist anerkennender Dank, vertiefte Beziehung, gewonnenes Vertrauen und
aus sich selbst heraus das angenehme Bewusstsein, ‚Gebraucht zu werden‘ und ‚Sich einbringen dürfen‘, ’nützlich zu
sein‘.
Wer dient, gibt und erhält gleichzeitig. Der gesäte Same verwandelt sich in Frucht. Die verschenkte Liebe kommt in
anderer Form zurück. Wir bekommen was wir brauchen, indem wir geben, was wir haben. Es ist ein freiwilliges,
gegenseitiges Wechselgeschäft ohne Erwartung oder Forderung an den anderen. Geben und Nehmen sind indirekt
eng verbunden. Zu dienen, ist somit bereits Lohn und Gewinn.
Manchmal erscheint es so, als wäre ‚dienen‘ eine Einbahnstraße, in der einige nur geben und andere nur empfangen.
Das kann nicht sein. Wir dienen uns gegenseitig mit unterschiedlichen Gaben. Jeder hat seine individuellen Stärken,
die er geben kann und seine ganz eigenen Schwächen, in denen er nützliche und hilfreiche Unterstützung braucht.
Jeder kennt Zeiten oder Situationen, in denen er Geber oder Empfänger ist. Dienen hat etwas mit Gegenseitigkeit zu
tun, mit dem Wir, mit Beziehung und Gemeinschaft, mit Liebe und Verantwortung für andere.
Das menschliche Zusammensein bedarf einer Ausgewogenheit zwischen Nehmen und Geben, zwischen
‚Unterstützung annehmen‘ und ‚Befähigungen einsetzen‘, zwischen ‚lieben‘ und ‚geliebt werden‘, zwischen
‚beschützen‘ und ‚beschützt werden‘, zwischen ‚bewundern‘ und ‚bewundert werden‘. Es braucht das ‚füreinander
einstehen‘ und ‚miteinander austauschen‘, es braucht gemeinsame Ziele und Aufgaben und Absichten.
Ist jemand dauerhaft auf seinen eigenen Vorteil bedacht, dann zerstört er das labile Gleichgewicht von
Gemeinschaft. Dann zieht der eine den anderen über den Tisch, nutzt ihn aus, belastet ihn und nützt ihm nicht
mehr.
Wer das Leben als seinen privaten Spielplatz sieht, auf dem andere nur nach seinen Regeln mitspielen dürfen, ist
anstrengende.
In 1.Kor 13,4-7 finden wir eine vorbildliche Beschreibung der Liebe Gottes:
Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf,
sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu,
sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie
hofft alles, sie duldet alles.
Gut, dass Gottes Liebe so elementar umfassend ist. Wir als begrenzte Menschen, dürfen nach und nach von ihm
lernen. Nach und nach, deshalb knirscht und kracht es bisweilen zwischen Menschen.
Es gibt aber noch eine weitergehende und höhere Bedeutung des Dienens: Ein Mensch dient bzw. nützt dem
anderen allein schon dadurch, dass er ist. Nur deshalb ist wohltuende Gemeinschaft möglich. Nur dadurch erhält
jeder Gelegenheit, seine Liebe dem anderen zu schenken. Nur so gibt es für ihn selbst die Möglichkeit, Zuwendung
und Wertschätzung zu erhalten und geliebt zu werden.
Dieser ursprüngliche Dienst beinhaltet Selbstverständliches, was uns nicht immer bewusst ist: Gegenseitige Toleranz
und Wertschätzung, dankbares Annehmen und Erwidern von Gemeinschaft und Freude an gegenseitigem
Kennenlernen.
Die Frage: ‚Wozu lebe ich?‘ erhält eine übergeordnete Bedeutung. Ich lebe, um zu lieben, um für andere dienlich,
nützlich, zuträglich, förderlich, hilfreich, konstruktiv und lohnend zu sein. Daraus ergibt sich mein Lebensunterhalt.
Nicht wahr, es ist euch wichtig, einander im Namen von Christus zu ermutigen? Es ist euch wichtig, euch gegenseitig
mit seiner Liebe zu trösten, durch den Heiligen Geist Gemeinschaft miteinander zu haben und einander tiefes
Mitgefühl und Erbarmen entgegenzubringen?
Nun, dann macht meine Freude vollkommen und haltet entschlossen zusammen! Lasst nicht zu, dass euch etwas
gegeneinander aufbringt, sondern begegnet allen mit der gleichen Liebe und richtet euch ganz auf das gemeinsame
Ziel aus.
Rechthaberei und Überheblichkeit dürfen keinen Platz bei euch haben. Vielmehr sollt ihr demütig genug sein, von
euren Geschwistern höher zu denken als von euch selbst.
Jeder soll auch auf das Wohl der anderen bedacht sein, nicht nur auf das eigene Wohl.
Das ist die Haltung, die euren Umgang miteinander bestimmen soll; es ist die Haltung, die Jesus Christus uns
vorgelebt hat. (Phil 2,1-5; NGÜ)
