Beste Freundinnen und Freunde (Spr 17,17)
Ein Freund liebt allezeit, und ein Bruder wird für die Not geboren. (Spr 17,17)
Hallo Du,
dieses Thema geht mir seit einiger Zeit durch den Kopf, nun ist es reif und fließt heraus.
Ich schreibe dies aus Dank für ehrliche Freundschaften und zur Ehre aller treuen Freunde und Freundinnen.
Vor etlichen Jahren traf ich bei der Wohnungssuche einen Vermieter, dessen Ehe ein Jahr vorher gescheitert war. Wir fanden in gleicher Not schnell eine Vertrauensbasis. Er erzählte mir von seinen schlechten Erfahrungen mit Freunden. Er erzählte von seinem Notizbuch, in dem rund 100 Bekannte, Freundinnen und Freunde mit Anschriften, Telefonnummern und Emailadressen notiert waren. Und er erzählte von seinem Bemühen, nach der Trennung von seiner Frau sich stärker seinen Freunden zuzuwenden.
Bei seinen Bekannten fand er schnell heraus, dass die kein Interesse mehr an ihm hatten. Das verwunderte ihn zwar, aber es kratzte ihn nicht. Er strich einen nach dem anderen aus seinem Notizbuch. Schließlich blieben noch etwa 30 ‚Freundinnen und Freunde‘ übrig, die er seit langem kannte und schätzte. Doch auch die meisten von ihnen hatten kein Interesse mehr an ihm. Entweder waren sie von seiner Exfrau geimpft, welch mieser Kerl er doch sei, oder sie hingen der irrigen Vorstellung nach, dass sein Unglück auch sie anstecken könnte, wenn sie zu ihm hielten.
Übrig blieben letztlich nur drei treue Freunde, langjährige Weggefährten, vertraute Kameraden, liebenswürdige, vorbehaltslose Mitmenschen, die ihn als Mensch mit allen seinen Schwächen und Stärken akzeptierten, die ihn um seiner selbst willen mochten, die sein Wesen schätzten und ihm vertrauten, die sich nicht von Umständen, Gerede oder Ängsten beeinflussen ließen.
Sein Fazit war: Nur die sind es wert, als Freunde bezeichnet zu werden. Nur die sind und bleiben ihm wertvoll und ehrenwert, vorbildlich und erhaltenswert. Die anderen waren wohl nur Mitläufer oder Profiteure.
Dazu fällt mir der Vers aus Psalm 41,10 ein:
Auch mein Freund, dem ich vertraute, der mein Brot aß, tritt mich mit Füßen.
Er hatte ja so recht. Gerade in der Not braucht man stützende Gemeinschaft; Freunde die vorbehaltlos zu einem stehen und auf die man sich verlassen kann. Liebe Menschen, die treu, verständnisvoll und gütig sind, freundlich und nachsichtig, aufmerksam und mitfühlend; Menschen die da sind, die zuhören ohne zu werten, die sensibel hinterfragen, die beistehen, die ermutigen und behutsam in Nöten weiterhelfen.
Diese Freunde sind sich ihrer eigenen Unvollkommenheit bewusst und haben selbst die Freundschaft schätzen gelernt. Sie fühlen sich in Freundschaft verbunden, in guten wie in schlechten Zeiten. Ihre Gegenwart, ihr Interesse, ihr Wohlwollen und ihre Herzlichkeit sind wie Balsam auf die verwundete Seele. Und mit ihnen auch Erfolg, Freude und Lachen zu teilen ist zutiefst angenehm.
Diese Freundinnen und Freunde sind nicht auf den eigenen Vorteil aus und haben auch keine versteckten Absichten. Sie genießen die Unterschiedlichkeit, die Beidseitigkeit, die Vertrautheit, den ehrlichen Meinungs- und Gedankenaustausch und die menschliche Ergänzung. Sie lernen voneinander und halten zusammen, egal wann und wie.
Und sie haben den besonderen Vorteil, dass sie die Stärken und Schwächen des anderen kennen und dessen Schwierigkeiten ohne trübende Emotion klarer erkennen.
Freunde teilen ihr Leben und Erleben vertrauensvoll miteinander. Sie nehmen Anteil aneinander. Und weil ihre Beziehung wertfrei und absichtslos ist, begegnen sie sich freundlich, freundschaftlich, freudvoll. Sie genießen ihr Kennen und finden auch nach längerer Zeit der Trennung wieder schnell wieder zusammen. Sie sind erquickende Lebensbegleiter.
Schlechte partnerschaftliche Beziehungen, Lebensgemeinschaft oder Ehen stellen oft den gegenseitigen Nutzen in den Vordergrund und betrachten argwöhnisch ihre selbstbezogene Vorteile im Hintergrund. In ihnen sehen sich die Partner nicht realistisch, sondern sie sind entweder von Verliebtheit, körperlichen Reizen oder Sexualität oder von ihren eigenen Wünschen, Vorstellungen und Erwartungen geblendet. Daher sollte jeder ernsthaften Verbindung eine wahre Freundschaft vorausgehen.
Viele der hier genannten positiven Aspekte von Freundschaft finden sich in der Bibel im Begriff der Nächstenliebe wieder. Das hat einen guten Grund: Als Christen sind wir Mitglieder in Gottes Familie. Gott ist unser gemeinsamer Vater. Wir sind seine Kinder. Unsere Nächsten und Mitmenschen sind unsere Brüder und Schwestern. Wir gehen gemeinsam durch das Leben.
Bei den Goten und Germanen war ein Freund ein Sippenangehöriger, ein Verwandter und somit ein Liebenswerter.
Durch Jesus sind wir Blutsbrüder und Blutsschwestern, durch sein Blut miteinander verbunden. Jesus nennt uns in Joh 15,14-15 Freunde:
Und ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch aufgetragen habe. Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn einem Knecht sagt der Herr nicht, was er vorhat. Ihr aber seid meine Freunde; denn ich habe euch alles anvertraut.
Einen besseren Freund als Jesus kann man nicht haben. Auf ihn kann man felsenfest bauen.
Der Leitvers dieses Dankschreibens ist:
Ein Freund liebt allezeit, und ein Bruder wird für die Not geboren. (Spr 17,17)
Ja, gute Freunde und Freundinnen, wie auch gute Geschwister, zeichnen sich dadurch aus, dass sie allezeit lieben und für die Not des anderen geboren wurden. Sie gehen gemeinsam durchs Leben und brauchen die gegenseitige Unterstützung, denn niemand ist vollkommen.
Wir sind Erben auch der Fehler unserer Eltern und ihrer Erziehung. Und, wir sind oft falsch ausgerichtet durch unser Wollen, unsere Erfahrungen und Verletzungen. Wir sind begrenzt durch unsere subjektive Wahrnehmung und zeitliche Kurzsichtigkeit.
So danke ich allen Freundinnen und Freunden, die mich um meiner selbst willen mögen und deren Sein und Wesen auch ich lieben und schätzen und ehren darf.
